Smalltalk mit Naïla Chikhi, Mitglied von Terre des Femmes über eine Podiumsdiskussion zu islamischer Verschleierung

»Patriarchales Instrument«

Am Donnerstag voriger Woche fand an der Goethe-Universität Frankfurt am Main eine unter anderem von Terre des Femmes organisierte Podiumsdiskussion über die islamische Verschleierung statt. Im Verlauf der Veranstaltung kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Die Jungle World sprach mit Naïla Chikhi, Mitglied von Terre des Femmes und unabhängige Referentin für Frauenpolitik und Integration, die am Podium teilnahm.

Wie verlief die Veranstaltung aus Ihrer Sicht?

Schon bei meinem Eingangsstatement kam es zu ersten Bemerkungen aus dem Publikum. Bei Ingrid Königs (Autorin und ehemalige Schulrektorin, Anm. d. Red.) Beitrag sind die Ersten aufgestanden, haben Plakate hochgehalten und Statements vor­gelesen. Wir haben sie gebeten, sich im Rahmen des zweiten Teils der Veranstaltung, der offenen Diskus­sion, mit uns auszutauschen. Sie haben nicht aufgehört. Dann haben sie eine Art Mauer zwischen Podium und Publikum gebildet. Wir haben die Veranstaltung unterbrochen. Viele aus dem Publikum haben angefangen, mit ihnen zu diskutieren. Irgendwann haben wir die Polizei gerufen, damit Ruhe einkehrt. Ich habe gehofft, dass einige von ihnen bleiben würden, damit wir zusammen diskutieren können. Sie sind aber gegangen.

In einer Pressemitteilung schreibt die Gruppe »Studis gegen rechte Hetze«, es sei »zu einem körperlichen Übergriff auf eine unbeteiligte Besucherin mit Kopftuch« gekommen, die »den Protest filmte«.

Zu Beginn der Veranstaltung haben wir gesagt, die Podiumsgäste dürften fotografiert werden, aber das Publikum nicht, und es dürfe auf keinen Fall gefilmt werden. Als sie mit ihren Protesten angefangen haben, haben sie angefangen zu filmen. Ein Mann, der die Befugnis hatte, vom Hausrecht Gebrauch zu machen, ist auf die Frau zugegangen und hat versucht, mit seiner Hand ihre Handykamera verdecken. Sie haben das als Angriff verstanden. Dann hat sich eine größere Gruppe gebildet. Ich habe nur noch mitbekommen, wie der Tisch umgeworfen wurde, auf dem die Flyer von Terre des Femmes lagen.

Wie beurteilen Sie das Kopftuch?

Für mich ist es ein patriarchales Instrument, um die Frau zu sexualisieren. Ich finde es schwierig, zu sagen, es sei ein religiöses Symbol, denn auch im Islam gibt es keinen Konsens darüber, dass es eine Pflicht ist, es zu tragen. Es wird von den Konservativen und Orthodoxen als ­religiöses Symbol dargestellt. Nicht alle mus­limischen Frauen sind dieser Meinung. Vor allem im Westen wird es als ein politisches Instrument benutzt. Es wird auf verschiedene Weise versucht, das Kopftuch gesellschaftstauglich zu machen. Wenn es um den Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes geht, beruft man sich auf die Religionsfreiheit und nennt es ein religiöses Symbol. Wenn man dagegen argumentiert, ist es plötzlich nur noch ein Modeaccessoire. Wenn man einwendet, dann könne man es auch ablegen, ist es ein Identitätssymbol.

Vor der Veranstaltung schrieb die Gruppe »Studis gegen rechte Hetze« auf Facebook, es gehe nicht darum, ob man den Referentinnen konkret eine Nähe zu rechten Parteien wie der AfD nachweisen könne. Es sei »objektiv« ihre Funktion, »deren Position zu stärken und zu legitimieren«.

Unter anderem algerische, iranische und saudische Frauen haben ihren Kampf gegen das Kopftuch ­begonnen, bevor es die AfD gab. Der feministische Kampf von muslimisch geprägten Frauen und ­Frauen, die aus muslimischen Ländern kommen – darunter auch viele aus dem Islam ausgetretene Atheistinnen –, hat nicht in Deutschland angefangen, sondern in unseren Herkunftsländern. Das AfD-­Argument soll uns mundtot machen. Wer möchte schon als rechtsextrem abgestempelt werden?

Soll die Veranstaltung wiederholt werden?

Wir haben die Veranstaltung am Donnerstag fortgesetzt, um zu zeigen, dass wir uns nicht den Mund verbieten lassen. Wir haben es aber nicht geschafft, den Kern des Themas zu besprechen, das heißt, ­welche Ideologie hinter dem Kopftuch steckt. Ich fände es gut, wenn noch einmal eine solche Veranstaltung stattfände, bei der die Frauen und die Mädchen in den Mittelpunkt rücken, denn sie sind diejenigen, die darunter leiden.