Ehemalige Rechtsextreme engagieren sich in der Tierschutzpartei MUT

Alles für die Tiere

Die Tierrechtlerszene ist nach rechts offen, will dies aber nicht wahrhaben oder betrachtet es nicht als Problem. Der Tierschutzpartei MUT wurde dies nun im Europaparlament zum Verhängnis.

»Seit 1991 habe ich Kontakte zur Wiking-Jugend und zur NPD. Im Oktober 92 habe ich mich der NPD angeschlossen und arbeite seitdem aktiv mit.« So brüstete sich Martin Buschmann, derzeit einziger Abgeordneter der Partei Mensch, Umwelt, Tierschutz (MUT, auch Tierschutzpartei genannt) im Europaparlament, in einem Rundschreiben anlässlich seiner Wahl zum Harburger Kreisvorsitzenden der NPD 1993. Als Ende Januar die Vergangenheit des Abgeordneten bekannt wurde, war er nicht mehr so stolz darauf. Er ließ über seinen Anwalt mitteilen, er sei »zu keinem Zeitpunkt für die NPD oder ihre Jugendorganisation aktiv gewesen«. Eine Berichterstattung wäre »zweifellos rechtswidrig«, schrieb der Anwalt weiter. Pikantes Detail: Buschmann betreut den Bundesarbeitskreis »Partei MUT gegen rechts«, der sich gegen die »Unterwanderung« des Tierschutzes von rechts wendet. Inzwischen hat der EU-Parlamentarier die links-grüne Fraktion im Europaparlament verlassen, um Schaden von ihr abzuwenden, wie er schreibt; der Bundesvorstand seiner Partei will ihn loswerden. An Rückzug denkt der ehemalige ­NPDler nicht, er beteuert auf Facebook, lediglich Mitläufer gewesen und aus Liebe zu einer Frau in die Partei eingetreten zu sein.

In der Tierschutzpartei, die angeblich auch die Menschenwürde schützen will, tummeln sich mehrere ehemalige Rechte.

Buschmanns Facebook-Freunde waren bei Bekanntwerden der NPD-Mitgliedschaft überwiegend der Meinung, man solle solche »Jugendsünden« nicht so ernst nehmen, den Tieren sei es schließlich egal, was Buschmann vorher gemacht habe. Sie sehen in ihm ein Opfer von »Cybermobbing« und einer Intrige aus den eigenen Reihen. Leise Kritik wurde von einem vielstimmigen »Hauptsache, Sie verlassen die Tiere nicht!« übertönt. Viel schwerer wog der Konsum eines Kaffees mit Kuhmilch bei einem Interviewtermin mit dem Hamburger Abendblatt kurz nach Buschmanns Wahl ins EU-Parlament im Mai 2019: Ein antispeziesistischer Sturm der Entrüstung brach über Buschmann herein. Für viele Tierfreundinnen aus der veganen Szene stellte die Wahl der Milch einen größeren Skandal dar als die frühere rechte Gesinnung, obwohl die Partei sich bereits vor dem Bekanntwerden von Buschmanns NPD-Vergangenheit mit rechten Tendenzen in ihren Reihen auseinandersetzen musste (Jungle World 3/2015). Wegen der Milch wurde Buschmann auf Facebook als »mieser Verräter« beschimpft, dem »die Tiere in Wirklichkeit scheißegal sind«. Die Kritik an Rechten in der Partei wurde dagegen überwiegend abgewehrt. Buschmann löschte Kommentare auf seiner Facebook-Seite und blockierte Kritikerinnen. Seine früheren Kameraden von der NPD Niedersachsen antworteten ihrem ehemaligen Kreisvorsitzenden dagegen hämisch: »Seine neuen Freunde können wohl froh sein, dass er sich im Anschluss nicht in die Leiterin eines Schlachthofes oder eines Tierversuchslabors verliebt hat.«

In der Partei, die angeblich auch die Menschenwürde schützen will, und in der Tierrechtszene tummeln sich mehrere ehemalige Rechte, deren angebliche Läuterung nicht überzeugt. Im Oktober 2019 ernannte die Ratsfraktion der Tierschutzpartei in Essen den ehemaligen AfD-Politiker Marco Trauten zu ihrem Fraktionsgeschäftsführer. Dieser hatte Antifa-Arbeit mit der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung während des Nationalsozialismus verglichen; die neuen Juden seien demnach die Jungs und Mädels von der AfD. Dem Landesvorstand der AfD in Nordrhein-Westfalen war das zu viel, er bezeichnete die Aussage Trautens als indiskutablen Vergleich. Zudem warf er ihm Veruntreuung von einigen Tausend Euro vor. Trauten verließ die Partei und entschuldigte sich in einer E-Mail an die Jüdische Allgemeine. Es liege ihm »absolut fern«, einen Zusammenhang zwischen Angriffen auf die AfD und den Verbrechen der Nazis herzustellen. Weiter schrieb er: »Sie werden bei mir keinen Antisemitismus finden, vielmehr bewundere ich, was das jüdische Volk nach dem Holocaust in der Lage war aufzubauen.« Das Strafverfahren wegen Untreue wurde 2015 gegen eine Zahlung von 1 000 Euro eingestellt. Die Tierschützer haben den Geschassten mit offenen Armen empfangen.

Dass NS-Vergleiche und die Verharmlosung der NS-Verbrechen vielen Tierrechtlern schlimmstenfalls als Ausrutscher gelten, ist nicht verwunderlich. Immer wieder wird in der Szene die Massentierhaltung mit Konzentrationslagern und der Fleischverzehr mit dem Holocaust gleichgesetzt.

Bedauerliche Einzelfälle? Den autoritären Charakter tierliebender Wählerinnen und Sympathisanten offenbaren auch die Kommentare zu einem anlässlich der Causa Buschmann veröffentlichten halbherzigen Statement der Tierschutzpartei. In diesem definiert sie links und rechts mit positivem Bezug auf die bekannte Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann. Diese hat ihren Karrierebeginn im Nationalsozialismus nie bedauert, Kritiker werfen ihr vor, auch in der Nachkriegszeit einem autoritären Menschenbild gefolgt zu sein. Nach einem Hinweis der Autorin dieses Textes veränderte die Tierschutzpartei ihr Statement und löschte den Hinweis auf Noelle-Neumann. Für die Partei bedeuten linke Werte »Gerechtigkeit, Vernunft, Nähe, Neues, das Internationale sowie das ›Du‹«, sich selbst verortet sie als »links der Mitte« in der ersten Version, in der zweiten dann als »klar links«.

Verrohte Sympathisanten aber bezeichnen in den Kommentaren unter dem Statement das Bekenntnis zu demokratischen Grundwerten und Menschenrechten als »Linksfaschismus«, setzen SA und Antifa gleich, gerne in der Form von »SAntifa« – auch hier eine Relativierung des Nationalsozialismus. Der ehemalige NPDler Sebastian Sommer fordert, in eine »wahre Volkspolitik« auch die »nicht menschlichen Tiere« mit einzubeziehen. Die Partei bietet dem Kampfhundbesitzer auf ihrer Seite eine Bühne und einen Platz als Beisitzer im Landesverband Berlin.

Auch Marcel Koppmann, ein veganer, friedensbewegter Verschwörungsgläubiger, der erst Ende 2019 bei einer neonazistischen Demonstration in Hannover mitmarschierte, mischt in der Debatte mit und wirft der Tierschutzpartei vor, »die Gesellschaft in links und rechts« zu spalten.

Abgrenzen müsste sich die Partei sehr wohl von Rechtsextremen, in den eigenen Reihen und denen der Wähler. Tierschutz soll, so lautet der Tenor vieler Kommentierender zum Statement der Tierschutzpartei, »neutral«, also weder links noch rechts angesiedelt sein. Dass Tierschutz, wenn er ideologisch und zum Tierrechtlertum wird, schnell Tiere über Menschen stellt, fällt hier erneut auf. Rassismus und Antisemitismus versteckt sich etwa in der Kritik am Schächten. Die etwas hilflose Moderation auf der Facebook-Seite der Partei kann dem argumentativ wenig entgegensetzen. Mantraartig wird das Bekenntnis zu »Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit« wiederholt. Wenn das aufgebrachten Tierschützern schon zu links ist, ist mit dieser Bewegung kein Blumentopf zu gewinnen.