Die Schwierigkeiten des Profisports in den USA

Chaotisch in die Wiedereröffnung

Es gibt viele Ideen, wie es beim professionellen Sport in den USA weitergehen könnte. Nicht mit allen sind die Sportler einverstanden. Nur im College-Football ist gar nichts klar.

Egal ob der Ausbruch der Pandemie in einer professionellen, halbprofes­sionellen oder pseudoprofessionellen Sportart zur Unterbrechung oder gleich zum Abbruch einer Saison geführt hat – die Absage von Spiel­tagen und Veranstaltungen war nicht das einzige Novum. Noch während ­einer Pandemie die zuvor ausgesetzten Wettbewerbe unter diversen Sicherheitsvorkehrungen wieder stattfinden zu lassen, wurde ebenfalls noch nie versucht.

In Deutschland ist das Vorhaben allerdings eher erwartbar gewesen. Zum einen sind sich die entscheidenden Gremien und führende Politiker hierzulande in der Frage »Was darf, was nicht?« relativ einig. Die Saison der Fußballbundesliga war wegen der bevorstehenden, inzwischen abgesagten Europameisterschaft (EM) zum Zeitpunkt ihrer Unterbrechung ohnehin schon recht weit fortgeschritten. Die für die EM vorgesehene Zeit lässt sich nun nutzen, um ganz bequem die Saison zu Ende zu spielen – wenn auch ohne Zuschauer im Stadion. Die Saison soll unbedingt zu Ende gespielt werden, weil die Verantwort­lichen der Vereine befürchten, dass die Fernsehsender noch ausstehende Gelder einbehalten, wenn kein Produkt geliefert wird. Und dieses Produkt besteht eben aus Fußballspielen in den Ligen eins bis drei. Wie der DFB in der vergangenen Woche mitteilte, wird zumindest die dritte Liga den Spielbetrieb jedoch nicht wie zunächst geplant am 26. Mai wiederaufnehmen, die Clubs sollen eine län­gere Vorbereitungszeit erhalten.

Die Major League Baseball möchte die Saison verkürzen, was den Athleten gar nicht passt. Denn es könnte dazu führen, dass sie deutlich weniger Geld verdienen.

Interessant wird es in den USA, wo keine politische Einigkeit darüber besteht, wann und unter welchen Umständen mit welcher Sportart wieder angefangen werden soll. Zudem äußert sich Präsident Donald Trump ganz unterschiedlich dazu, manchmal ändert er seinen Standpunkt innerhalb weniger Minuten. Erschwerend kommt hinzu, dass dort eben nicht eine einzige Sportart den Hauptteil der Aufmerksamkeit beansprucht, sondern mehrere konkurrierende Sportarten mit völlig unterschiedlichen Saisonzeiträumen. Dass das Ganze in den Profiligen und im College-Sport auch noch auf zwei völlig unterschiedliche Arten organisiert ist, macht die Sache noch vertrackter.

Die Major League Baseball will ihre Saison nachträglich beginnen und eine verkürzte Spielzeit absolvieren, wogegen mehrere prominente Ath­leten bereits heftig protestiert haben: Die Spieler sind vertraglich am Gewinn der Liga beteiligt, Spiele ohne Zuschauer bringen etwa 30 Prozent weniger Geld. Wenn dazu nur eine halbe Saison gespielt würde, würden sich die ohnehin schon geringeren Einnahmen der Spieler entsprechend halbieren. Sich für viel weniger Geld auf eine verkürzte Saison ohne Chancen auf Rekorde und eine etwaige Meisterschaft, dafür aber mit einem erhöhtem Gesundheitsrisiko einzulassen, lehnen die Spieler fast durchgehend ab.

Die National Basketball Association (NBA) will die unterbrochene Saison zu Ende spielen, am besten in Form eines schnellen Turniers an einem zentralen Ort. Fans gefällt die Idee, weil sie das Format aus dem College-Basketball kennen. Dort heißt dieses Finalturnier March Madness und ist nicht zuletzt wegen der spannenden Spiele ein Höhepunkt. Die Fans würden ein NBA-Turnier sogar ­begrüßen, obwohl sie als Zuschauer nicht an Ort und Stelle dabei sein dürften. Die Liga will das Turnier gern in Las Vegas oder Florida veranstalten. Doch diesen Plan lehnen einige prominente Spieler ab, die ungern mehrere Wochen lang mit anderen Basketballspielern von der Außenwelt isoliert in einem Hotel leben wollen.

Nur die National Football League (NFL) hat noch die Ruhe weg. Die reguläre Saison soll ja erst am 10. September losgehen. Die Verantwortlichen planen, eine gewöhnliche ­Saison spielen zu lassen und den Zuspruch der Zuschauer abzuwarten, und suchen Gerüchten zufolge alternative Spielorte für die Teams aus Covid-19-Infektionsschwerpunkten, also vor allem New York und Kalifornien. Man sei aber »vorbereitet, flexibel auf die Situation zu reagieren«, heißt es dazu vom NFL-Spielbetriebsleiter Roger Goodell. Das Programm zur Vorbereitung auf die Trainingscamps läuft schon – über Zoom und rein virtuell. Es kursieren Späße, die Sportler spielten zu Hause einfach sich selbst im Computerspiel »Madden NFL«.

Das größte Hin und Her gibt es im College-Sport. In Kalifornien wurde bereits beschlossen, das nächste Semester für die Studierenden nur online stattfinden zu lassen, andere Bundesstaaten werden vermutlich folgen. Noch Anfang Mai schloss der Präsident der National Collegiate Athletic Association (NCAA), Mark Emmert, kategorisch aus, dass an den Colleges und Universitäten wieder professioneller Sport stattfinden könne, solange die Einrichtungen nicht für alle Studenten zugänglich seien. Nur wenige Tage später änderte er seine Ansicht und verkündete, es reiche, wenn ein Campus für die studierenden Sportler teilweise geöffnet sei. Welche Haltung Emmert nächste Woche zum College-Sport in Coronazeiten einnehmen wird, ist aber eigentlich völlig egal. Obwohl er der Präsident des Dachverbands ist, hat er keinerlei Weisungsbefugnis. Er kann nur Empfehlungen aussprechen. Im College-Sport geht es ohnehin un­einheitlich zu. Im Dachverband NCAA sind die einzelnen Universitäten Mitglied, aufgeteilt in vier Divisions je nach Größe der Universität. Für die Divisions gibt es leicht unterschiedliche Regeln unter anderem dazu, wer als Sportler zugelassen ist, ob es Sportstipendien geben darf und auch, welche Sportarten angeboten werden müssen.

Zusätzlich haben sich viele Universitäten zu festen Ligen zusammen­geschlossen. Ihre Mannschaften spielen hauptsächlich, aber nicht ausschließlich in diesen Ligen gegeneinander. Diese Struktur erlaubt es den beteiligten Universitäten, gemeinsam als Liga die Fernsehrechte für die verschiedenen Sportarten zu vermarkten. Die Ligen selbst gehören aber nicht zur NCAA und sie haben ein Interesse daran, dass die am Ligenbetrieb beteiligten Universitäten Fernsehgelder nicht wieder zurückzahlen müssen. Auch den einzelnen Universitäten ist viel daran gelegen, die Saison zu spielen, weil die College-Spieler nur eine begrenzte Zahl von Jahren zur Verfügung stehen. Zudem sind sie auf die Einnahmen aus dem Sport angewiesen, gerade Football und Basketball verschaffen den Universitäten hohe Gewinne.

Die College-Saison im Basketball wurde bereits abgebrochen und wird nicht fortgesetzt. Aber wie die NCAA sich im Football entscheidet, dessen reguläre Spielzeit noch nicht begonnen hat, wird weitreichende Konsequenzen haben. Denn es steht viel Geld auf dem Spiel, so dass die NCAA es sich nicht leisten kann, sich der Wiedereröffnung zu verweigern. Der Verband liefe dann nämlich Gefahr, dass die Universitäten der größeren Ligen austreten und eine eigenständige Liga gründen. Dann könnten sie sogar die unprofitablen Sportarten weglassen und es durch mehr Professionalisierung und die Bezahlung von Spielern den in der NCAA verbliebenen Teams schmackhaft machen, sich ebenfalls vom Dachverband loszusagen. Opponierte die NCAA gegen eine baldige Wiederaufnahme des College-Sports, könnte sie sich damit letztlich selbst abschaffen.

Selbst wenn der Verband und die Lehreinrichtungen eine Lösung finden, bleiben noch politische Hindernisse. In Kalifornien werden die stay-at-home orders inzwischen auf Ebene der Counties, der Gerichtsbezirke also, ausgesprochen. Es kann also gut sein, dass es vom jeweiligen County abhängt, ob gespielt werden kann oder nicht. Dazu kommen weitere Detailfragen, die ungeklärt sind: Würde dann das County, in dem die Studentenwohnheime liegen, oder das, in dem das Stadion steht, darüber entscheiden, ob gespielt ­werden darf oder nicht? Das Chaos im College-Sport wird wohl noch andauern.