Die Kampagne »Legalisierung jetzt!« fordert mehr Rechte für Menschen ohne Papiere

Nicht auf dem Papier

Im Rahmen der Kampagne »Legalisierung jetzt!« fordern migrantische Personen und Organisationen die Legalisierung in Deutschland lebender Menschen, die keinen gültigen Aufenthaltsstatus besitzen.

Viele der Beschäftigten, die im Pflegebereich, als Reinigungskräfte oder in der Gastronomie für niedrige Löhne arbeiten, haben keinen legalen Aufenthaltsstatus. Da diese Menschen der ständigen Gefahr ausgesetzt sind, von der Polizei aufgegriffen und abgeschoben zu werden, ist es für sie schwer, öffentlich für ihre Anliegen, wie beispielsweise eine gerechte Entlohnung, einzutreten. Vergangene Woche begann die Kampagne »Legalisierung jetzt!« des gleichnamigen Netzwerks, zu dem sich zahlreiche Migranten­organisationen zusammengeschlossen haben. Zentrale Forderung ist die bedingungslose Legalisierung aller in Deutschland undokumentiert Lebenden. In einem offenen Brief des Netzwerks betonen die Verfasserinnen und Verfasser, dass auch diesen Menschen umfassende Rechte zustünden. »Es fehlt der Zugang zum Gesundheitswesen, dem Wohnungsmarkt, dem Schulsystem, würdiger Arbeit und einem freien Leben«, heißt es in dem Brief. Illegalisierung und Kriminalisierung begünstigten die Ausbeutung im Dienstleistungsbereich, der Landwirtschaft und anderen Wirtschaftssektoren. Darüber hinaus verhinderten sie beispielsweise, dass undokumentiert lebende Frauen Vorfälle sexueller Gewalt anzeigen.

Die Illegalisierung von Menschen ohne gültige Ausweisdokumente begünstigt dem Netzwerk »Legalisierung jetzt!« zufolge deren wirtschaftliche Ausbeutung

Die Gründe, aus denen Menschen ohne Bleiberecht in Deutschland leben, sind unterschiedlich. Einige von ihnen reisten ursprünglich als Touristinnen ein und beschlossen später, hier zu arbeiten, um ihre Angehörigen im Herkunftsland zu unterstützen. An­dere sind vor Verfolgung nach Deutschland geflohen, erhielten aber kein Asyl. Offizielle Angaben zur Anzahl der Menschen, die ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland leben, gibt es nicht. Das Netzwerk »Legalisierung jetzt!« geht davon aus, dass es allein in Berlin zwischen 60 000 und 100 000 Menschen sind.

Bereits am 25. April hatte die Organisation »Respect«, die migrantische Frauen ohne Aufenthaltsstatus unterstützt und zu den Erstunterzeichnern des offenen Briefs gehört, einen digitalen Aktionstag für die Rechte von ­migrantischen Beschäftigen in der Hausarbeit organisiert. Auf der Web­site der Organisation berichteten in Deutschland lebende und arbeitende Frauen aus verschiedenen Ländern in Form von Text- und Audiobeiträgen über ihre Lebenssituation. »Wir gehen gerade alle durch einen sehr schwierigen ökonomischen Moment, denn wir leben von der täglichen Arbeit, um unser Zimmer zu bezahlen und um uns mit Essen zu versorgen und, in meinem Fall, auch um meine Tochter zu versorgen«, schreibt eine der betroffenen Frauen in einem Bericht, den die Organisation als Teil der digitalen Sammlung veröffentlicht hat. Da undokumentiert in Deutschland lebenden Menschen Geld- oder Freiheitsstrafen drohen, sind die Beiträge anonymisiert.

Llanquiray Painemal von der Organisation »Respect« betonte im Gespräch mit der Jungle World, die Legalisierungskampagne hätten Migrantinnen und Migranten, Betroffenenorganisationen und Geflüchteten selbst initiiert. Die Kampagne ist zunächst auf die Situation im Land Berlin ausgerichtet. In einer Stellungnahme zur Kampagne teilte der Pressesprecher des Berliner Innensenats, Tino Brabetz, allerdings mit, das Land Berlin sei gar nicht zuständig: »Die durch die Kampagne aufgestellten Maximalforderungen können in dieser Form nicht vom Land Berlin umgesetzt werden. Da das Aufenthaltsrecht Bundesrecht ist, das durch die Länder ausgeführt wird, bestehen hier schon aus rechtlicher Sicht keine Spielräume für eine Umsetzung der Forderungen«, heißt es in der Mit­teilung.

Hilfsangebote wie die sogenannte Clearingstelle der Berliner Stadtmission, die allen in Berlin lebenden Menschen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, Zugang zu medizinischen Leistungen ermöglichen soll, beurteilt Painemal kritisch: »Das Prozedere ist sehr bürokratisch und schreckt die Menschen ab.« Es habe zudem keine Informationen gegeben, was illegalisierte Menschen tun sollen, falls sie den Verdacht haben, mit Sars-CoV-2 infiziert zu sei. »In unserer Arbeit zeigt sich immer wieder eine Kluft zwischen Theorie und Realität«, so Painemal. Das gelte auch für den langjährigen Kampf von »Re­spect«, migrantischen Beschäftigten ohne Bleiberecht eine Gewerkschaftsmitgliedschaft zu ermöglichen. Im Jahr 2013 verließ »Respect« den Arbeitskreis »Undokumentierte Arbeit« der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, den die Organisation knapp fünf Jahre zuvor initiiert hatte. In ihrer Begründung heißt es unter anderem, dass an dem Arbeitskreis keine Betroffenen ­beteiligt gewesen seien und dessen Struktur zum Ausschluss dieser Personen beitrage. Dennoch sei es zumindest gelungen, innerhalb der Gewerkschaft deutlich zu machen, dass mi­grantische Beschäftigte nicht als Konkurrenten deutscher Arbeitnehmer­innen und Arbeitnehmer verstanden werden dürften.