Beim Bart des Hundes

Streit um eine Mohammed-Karikatur in Schweden und Verhaftungen von Islamisten in Dänemark: In Skandinavien wird erneut über religiösen Fanatismus und Integration diskutiert. von bernd parusel, stockholm

Nerikes Allehanda führte bislang das Dasein einer unbedeutenden Regionalzeitung einer recht gewöhnlichen mittelschwedischen Stadt. Dann plötzlich brannten in Pakistan schwedische Flaggen, Schilder mit der Aufschrift »Crash Sweden« wurden vor Fernsehkameras gehalten, die Regierungen Irans, Pakistans und Afghanistans schick­ten Protestnoten nach Stockholm. Und schuld an allem soll ausgerechnet die Tageszeitung Nerikes Allehanda sein.

Am 18. August hatte das Blatt einen Leitartikel zum Thema Meinungsfreiheit veröffentlicht. »Das Recht, eine Religion lächerlich zu machen«, lautete der Titel. Illustriert war der Text mit einer Karikatur des Zeichners Lars Vilks. Sie zeigt einen Hund mit einem menschlichen Kopf, Bart und Turban. Vilks zufolge soll die Karikatur Mohammed darstellen.

Die Aufregung darüber erinnert in ihrer Re­flex­haftigkeit an den Streit über die zwölf Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten vor anderthalb Jahren. Kräftig angeheizt von Extremisten, war damals in nahezu allen islamischen Staaten ein Proteststurm gegen die »Schmähung des Propheten« losgebrochen, es kam sogar zu Anschlägen auf dänische Konsulate. Auch jetzt fühlen sich wieder einige Mus­lime in ihrem Glauben beleidigt. Islamisten schicken dem Zeichner Morddrohungen, und über die Medien wird die Nachricht von der »Beleidigung des Islam« in der islamischen Welt verbreitet. Wieder einmal sehen sich Zeitungsmacher und Politiker gedrängt, an die Meinungs- und Pressefreiheit zu erinnern.

Trotzdem gleicht der neue Karikaturenstreit nicht völlig dem von 2006. Anders als der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen damals bemüht sich der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt eifrig um Versöhnlichkeit. Er traf sich mit den Botschaftern von etwa 20 islamischen Ländern, besuchte eine Moschee in Stockholm und sprach dort mit Vertretern islamischer Verbände. Schweden solle ein Land sein, »in dem Muslime und Christen, Menschen, die an Gott glauben, und solche, die das nicht tun, Seite an Seite leben können«, sagte er. Seine Gesprächspartner freuten sich über die Begegnung und stimmten zu. Schon vor dem Treffen hatte der Rat der Muslime in Schweden Kontakt zu Botschaften islamischer Länder aufgenommen. Man habe dabei deutlich gemacht, dass »wir den Streit in unserem eigenen Land lösen wollen, auf lokaler Ebene und im Dialog«, sagte die Vorsitzende des Verbands, Helena Benaouda. »Es war nicht schön, eine schwedische Flagge in Pakistan brennen zu sehen«, fügte sie hinzu.

Auch auf einer Kundgebung vor dem Redak­tionsgebäude der Nerikes Allehanda vor zwei Wochen blieb es vergleichsweise ruhig und friedlich. Die zahlreich versammelte Presse hatte mehrere hundert muslimische Demonstranten erwartet, aber es kamen nur knapp 100. Der Vorsitzende des islamischen Kulturzentrums in Örebro, Gamal Lahawdi, hatte zunächst heftig gegen die Mohammed-Zeichnung protestiert. »Wir müssen unsere Stimme gegen das provozierende Bild erheben, und wir verlangen eine Entschuldigung«, sagte er vor der Demonstration. Dann aber disku­tierte er höflich mit Chefredakteur Ulf Johansson und dem Verfasser des Meinungsar­tikels, Lars Ströman. Beide waren aus ihren Büros gekommen, um mit den Demonstranten zu sprechen.

Die Vorgeschichte der umstrittenen Publikation geht auf eine Provinzposse zurück. Im vorigen Jahr ist in vielen Orten im schwedischen Hinterland eine bizarre Mode entstanden: In nächtlichen Aktionen verzieren Bürger Verkehrsinseln mit selbst gebastelten Hundefiguren. Das Phänomen der so genannten Rondellhunde inspirierte einen Kunstverein in der Region Värmland, eine Ausstellung dazu zu organisieren. Zu den Künstlern, die Werke einschickten, gehörte auch Lars Vilks. Seine drei Zeichnungen von Rondellhunden mit Mohammed-Köpfen wurden jedoch abgewiesen, und auch andere Museen zeigten kein Interesse.

Manche fürchteten, gläubige Muslime gegen sich aufzubringen, andere werteten die Karikaturen als spontane Kritzeleien ohne künstlerischen Wert. Die Redaktion von Nerikes Allehanda bekam davon Wind, vermutete Selbstzensur, und Nachgiebigkeit gegenüber religiösen Fanatikern und veröffentlichte eine der Zeichnungen in ihrer Zeitung. Im dazugehörigen Text heißt es unter anderem: »Es ist erlaubt, die höchsten Symbole des Islam lächerlich zu machen, ebenso wie die anderer Religionen.«

In Dänemark wurden die Ereignisse im Nachbar­land aufmerksam verfolgt, und mehrere Zeitungen druckten die Karikatur von Lars Vilks nach. Auch bei den Dänen ist Integration und religiö­ser Fanatismus wieder ein eifrig diskutiertes Thema. Mitte der vergangenen Woche wurden bei einer nächtlichen Razzia der Sicherheitspolizei in und um Kopenhagen acht junge Islamisten festgenom­men, die Sprengstoff beschafft und Terrorattentate vorbereitet haben sollen. Sechs von ihnen wurden vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzt, die übrigen zwei sitzen in Untersuchungshaft.

Probleme bereitet der dänischen Öffentlichkeit, dass die Verdächtigen zwar aus Afghanistan, Somalia, Pakistan und der Türkei stammen, aber jahrelang in Dänemark gelebt haben und dort sozialisiert wurden. Zwei haben ein Aufenthaltsrecht, die anderen sechs sind sogar dänische Staatsbürger. Die Zeitung Politiken fand heraus, dass die zwei Islamisten, die noch in Haft sind, regelmäßig eine Moschee im Kopenhagener Stadtteil Nörrebro besucht haben. Diese sei ein »Treffpunkt für junge Terrorsympathisanten« und bekannt für eine »radikale Auslegung des Islam«.

Die Zeitung berichtete auch, dass einer der beiden, ein 21jähriger Fahrkartenkontrolleur, bereits vor zwei Jahren vom Rektor seines damaligen Gymnasiums der Sicherheitspolizei gemeldet worden sei. Der aus Afghanistan stammende Jugendliche hatte Flugblätter verteilt, die muslimische Mitschüler aufforderten, sich vom Christentum zu distanzieren. »Da stand, dass man ein schlechter Moslem ist, wenn man an Weihnachtsfeiern im Gymnasium teilnimmt«, sagte der Schulleiter Politiken.

Zur Strafe verbot er dem damals 19jährigen fünf Tage lang den Schulbesuch. Als dieser zurückkam, ließ er sich einen Vollbart wachsen und erschien mit Kaftan und einer islamischen Kopfbedeckung. Schließlich ging er von der Schule ab und widmete sich Koranstudien in Nörrebro. Die Sicherheitspolizei stuft den 21jährigen als »militanten Islamisten« mit direkten Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida ein.