Die Seligsprechung von Pius XII.

Himmlische Faschisten

Wenn Papst Pius XII. seliggesprochen wird, ist er im katholischen Himmel in guter Gesellschaft: Dort oben sitzen unter anderen bereits Unterstützer des Franco-Regimes und der kroatischen Ustascha-Faschisten. Und im Vergleich zu denen scheint Pius XII. noch ein recht harmloser Seliger zu sein.

Papst Benedikt XVI. plant, Papst Pius XII. seligzusprechen. Damit wird ein deutscher Papst einen überaus deutsch-, aber nicht gerade judenfreundlichen Papst in den Himmel befördern. Sollen wir uns, die »wir« laut Bild »Papst« sind, darüber freuen? Das hängt sehr von unserer Konfession und unserer politischen Überzeugung ab. Ich bin Protestant und kann mich daher an allen Heiligen und Seligen nicht erfreuen, denn die erkennt meine Kirche seit Luther nicht an. Als Faschismusforscher (und bekennender Antifaschist) störe ich mich auch daran, dass sich unter den von den Päpsten selig- und heiliggesprochenen Katholiken einige Faschisten befinden. Wer ist damit gemeint?

Einmal die Spanier, die von Benedikt XVI. im Jahre 2009 seliggesprochen worden sind. Dabei handelte es sich um Personen, die von spanischen Antifaschisten für Faschisten gehalten und deshalb während des Spanischen Bürgerkriegs getötet wurden. Ob dies immer richtig und rechtens war, kann bezweifelt werden. Unbezweifelbar ist jedoch ihre Parteinahme und die ihrer Kirche für den Faschisten Franco, der mit dem Segen von Kirche und Papst einen »Kreuzzug« gegen die Anhänger der rechtmäßigen Spanischen Republik geführt und mit Hilfe der deutschen und italienischen Faschisten gewonnen hat. Für die päpstlichen Segnungen des »Kreuzzuges« gegen die spanische Republik hätte sich Papst Benedikt XVI. entschuldigen müssen. Doch das hat er nicht getan. Anstatt sich zur Schuld seiner Kirche zu bekennen und die antifaschistischen Opfer dieses »Kreuzzuges« zu ehren, hat es Benedikt XVI. stattdessen für notwendig erachtet, einige Täter seligzusprechen. Damit hat er, ob gewollt oder nicht gewollt sei dahingestellt, zugleich zur Rechtfertigung des faschistischen Regimes Francos und zur Bewältigung seiner Geschichte beigetragen.
In seiner letzten Phase ist das Regime Francos von einer katholischen Organisation gestützt worden, die sich Opus Dei, »Werk Gottes«, nannte. Dem Opus Dei ist es zudem gelungen, den Einfluss der faschistischen Staatspartei, kurz moviemiento, die Bewegung, genannt, zurückzudrängen. Die letzten Franco-Kabinette sind mehrheitlich aus Mitgliedern des Opus Dei gebildet worden, die alle Schlüsselressorts innehatten. Trotz der pro-faschistischen Haltung dieser Organisation ist ihr Gründer und Schöpfer, Josemaria Escrivá (1902–1975), 1982 selig- und 20 Jahre später sogar heiliggesprochen worden.

Der Heilige Escrivá war sicherlich kein oder noch kein Faschist. Verbrechen hat er, nach allem, was wir von ihm wissen, auch nicht begangen. Doch beides trifft auf einen anderen katholischen Seligen zu. Die Rede ist vom kroatischen Kardinal Alojzije Stepinac (1898–1960), der 1942 von Papst Pius XII. zum Militärvikar der faschistischen Ustascha-Armee ernannt worden ist, um sich in dieser Eigenschaft an der Ermordung von Serben sowie wahrscheinlich auch von Juden und Roma zu beteiligen. Dies nicht direkt, indem er sich selbst unter die MG-Schützen gesellt hat, welche die Opfer niedermähten. Stepinac soll den Juden, Roma und den als nicht rechtgläubig angesehenen orthodoxen Serben sogar ihre Rettung versprochen haben. Allerdings nur, wenn sie sich von den katholischen Priestern taufen ließen, die bei den meisten Massenmorden der Ustascha-Faschisten anwesend waren.
Wegen dieser und anderer Verbrechen des faschistischen Ustascha-Staates, für die Stepinac zweifellos zumindest mitverantwortlich war, ist er 1946 von jugoslawischen Kommunisten zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Dieses Urteil ist jedoch auf scharfen Protest des Papstes Pius XII. gestoßen, den Papst Benedikt XVI. nun seligsprechen möchte. Stepinac wurde daraufhin schon nach sechs Jahren aus der Haft entlassen. 1960 ist der danach nicht mehr behelligte und inzwischen vom Papst zum Kardinal ernannte Stepinac gestorben. 1998 erfolgte seine Seligsprechung durch Papst Johannes Paul II., der nun wiederum von Papst Benedikt XVI. selig gesprochen werden soll.

Slowakische Katholiken und Neofaschisten drängen Papst Benedikt XVI., auch den katholischen Priester und Präsidenten der ersten slowakischen Republik, Józef Tiso (1887–1947), seligzusprechen. Und dies, obwohl sein mit Billigung Hitlers und mit Unterstützung der katholischen Kirche 1939 errichtetes Regime als »klerikalfaschistisch« einzuschätzen ist, und obwohl Tiso selbst für die Ermordung von 7 000 slowakischen Juden verantwortlich zu machen ist. Deshalb und wegen der Niederschlagung des slowakischen Aufstandes vom August 1944 ist er 1947 von einem tschechoslowakischen Gericht zum Tode verurteilt und kurz darauf hingerichtet worden. Dennoch oder deshalb wird Tiso heute von slowakischen Nationalisten als Held und von Katholiken als Märtyrer gefeiert. Bleibt zu hoffen, dass Papst Benedikt XVI. ihrem Drängen nicht nachgibt und aus dem Märtyrer Tiso auch noch einen Seligen macht. Im (katholischen) Himmel gibt es immerhin schon genug Faschisten.

Der Gerechtigkeit halber ist aber darauf hinzuweisen, dass auch einige Opfer des Faschismus seliggesprochen worden sind. Darunter die Nonne Edith Stein, die in Auschwitz aber nicht deshalb ermordet wurde, weil sie Nonne, sondern weil sie vor ihrer Konversion zum Katholizismus Jüdin gewesen war. Doch der Umgang der katho­lischen Kirche mit den Opfern des Faschismus ist ein anderes Thema. Hier ging es um spanische, kroatische und andere himmlische Faschisten.
Darf man, soll man das kritisieren? Ich meine ja, und gebe meinem Landsmann und Mitchristen Benedikt den dringenden, aber sicherlich unerbetenen Rat, mit dem Seligsprechen von Faschisten aufzuhören. Schließlich möchte ich, falls ich einmal in den Himmel kommen sollte, dort keine Faschisten antreffen – sondern viel lieber alle meine inzwischen verstorbenen Hunde.