Die Affäre um den CDU-Politiker Michael Büge

Der Sekretär und die Burschen

Manchen Berliner CDU-Politikern fällt es schwer, die Distanz zu Rechtsextremen zu wahren, wenn diese eine Burschenschaftsmontur tragen.

Wochenlang berichtete die Berliner Tagespresse über den Verlauf der Affäre um den Staatssekretär für Gesundheit und Soziales, Michael Büge. Mittlerweile ist es sicher: Zum 30. Juni muss er sein Amt abgeben. Auslöser der Affäre war ein Vortrag des CDU-Politikers im Wintersemester 2012/2013 im Haus der Burschenschaft Gothia im Nobelbezirk Zehlendorf. Dort, beim regelmäßig durchgeführten »burschenschaftlichen Abend«, verschwimmen die Grenzen zwischen Rechten und Rechtsextremen, zwischen Konservatismus und intellektuell verbrämtem Faschismus. Versinnbildlicht wird dies durch einen großen Aufkleber, der am Rednerpult angebracht ist, auf ihm ist ein durchgestrichenes »PC« zu sehen. Büge ist seit seiner Studentenzeit Mitglied in der Gothia. Sie ist die Berliner Burschenschaft mit der größten öffentlichen Wirkung. So ist die Zehlendorfer Villa Ort für Veranstaltungen des neurechten Instituts für Staatspolitik und von mit diesem verbundenen Organisationen. Ansonsten finden sich im Rednerprogramm neben Büge auch Referenten der extremen Rechten wie etwa Alfred Mechtersheimer oder Henry Nitzsche. Ander als in vielen westdeutschen Universitätsstädten spielen Burschenschaften und andere studentische Verbindungen im Berliner Straßenbild, im öffentlichen Diskurs und an den Universitäten der Stadt kaum eine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit, einen Korporierten während des Studiums kennenzulernen, ist sehr gering. Jörg Kronauer zufolge, der sich lange mit dem Milieu der Burschenschaften befasst hat, gehörten im Jahr 2009 weniger als ein Prozent der Studentenschaft einer Verbindung an, Tendenz sinkend. Das war noch in den achtziger Jahren anders, als drei Prozent aller Studenten Mitglied in Studentenverbindungen waren. Die Gothia gehört zur Dachorganisation Deutsche Burschenschaft (DB). Von diesem Dachverband lösten sich im vergangenen Jahr viele liberalere Verbindungen im Zuge der Diskussionen über den ehemaligen Pressesprecher Norbert Weidner sowie einen »Ariernachweis« für die Mitgliedschaft in den zugehörigen Verbindungen. Weidner war Funktionär der 1995 verbotenen Neonazipartei FAP. In Berlin sind neben der Gothia drei weitere Korporationen Mitglied der DB. Als die Berichterstattung über seinen Vortrag im Haus Gothia begann, kündigte Büge an, sich dafür einzusetzen, dass seine Verbindung aus der DB ausscheidet. Falls dies nicht gelinge, kehre er als Konsequenz der Gothia den Rücken. Dies war dem Druck seines Parteifreundes und Vorgesetzen, Mario Czaja (CDU), geschuldet, dem derzeitigen Senators für Gesundheit und Soziales. Im Mai jedoch änderte Büge plötzlich seine Meinung. Er blieb Mitglied der Gothia und verzichtete auf sein Amt. Diese Konsequenz erstaunte den Berliner Politikbetrieb, wird doch in der CDU unter Angela Merkel die Politik in der Regel von vermeintlichen Sachzwängen und tagespolitisch opportunen Überlegungen bestimmt. Solidarität erfuhr Büge sofort von der NPD. Diese bot ihm eine Mitgliedschaft an. Die Facebook-Seite »Solidarität mit Michael Büge« markierten 2 777 Personen mit »Gefällt mir«. Unter ihnen befanden sich auch der Berliner NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke und einige Autoren der Jungen Freiheit. In Solidarität mit Büge begann die rechte Zeitung selbst eine Kampagne gegen dessen Arbeitgeber Mario Czaja. So vermeldete das Blatt, dass auch Czaja früher »ein gern gesehener Gast« der Gothia gewesen sei. Zudem soll Czaja früher bei den »Dienstagsgesprächen« (Jungle World 9/2013) des NPD-Kandidaten Hans-Ulrich Pieper zu Gast gewesen sein. Aber auch von Parteifreunden gab es Solidaritätsbekundungen. So berichtete die Berliner Zeitung, dass der Abgeordnete und innenpolitische Sprecher der CDU, Robbin Juhnke, in einer Fraktionssitzung seine Ablehnung des Umgangs mit Büge deutlich gemacht habe: »Verbunden mit dem Hinweis, er selbst sei nicht Mitglied der Gothia, kritisierte er den Rausschmiss als unnötig.« Weiter schrieb die Zeitung: »Juhnke, immerhin in Standfestigkeit und signalisierte, dass er dessen Verbleib in der Burschenschaft nachvollziehen könne.« Juhnke und Büge stammen beide aus der Neuköllner CDU. Juhnkes Verteidigungsrede für Büge dürfte einen weiteren Grund gehabt haben. Oliver Höfinghoff, Abgeordneter der Fraktion der Piratenpartei im Abgeordnetenhaus, brachte den Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) mit einer Anfrage mit dem Titel »Kontakte Berliner Politiker zu rechtsradikalen Burschenschaften?« in Bedrängnis, in der es um Juhnke ging. Höfinghoff hatte nach eigenen Angaben »einfach Robbin Juhnke gegoogelt«. Dabei war er auf eine Referentenliste der Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg gestoßen. Auf ihr befand sich Juhnke als Referent im Frühling 2012 mit einem Vortrag über »Berliner Verhältnisse«. Wohl um eine Blamage zu vermeiden, wies Henkel darauf hin, dass »dem Senat (…) keine Strukturen und Aktivitäten der Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg beziehungsweise zu Regensburg in Berlin bekannt« seien. Selbst der bayerische Verfassungsschutz weiß offensichtlich mehr. So hatte Höfinghoff den Senat schon im Februar gefragt, ob er die Einschätzung des bayerischen Verfassungsschutzes teile, wonach »Akteure aus dem Bereich des organisierten Rechtsextremismus Anschluss bei der Prager Burschenschaft Teutonia suchten und fanden«. Mittlerweile gibt sich Juhnke reuig. »Vielleicht war ich auch nicht ausreichend sensibilisiert«, sagte er der Berliner Morgenpost. Durch eigene Recherchen habe er unangenehme Dinge entdeckt. Der Zeitung zufolge verlangt er nun eine Stellungnahme von der Burschenschaft.