Der rechtsextreme Ideologe Alexander Dugin zu Gast bei der Zeitschrift »Zuerst!«

Die Leser, die man verdient

Die rechtsextreme Zeitschrift Zuerst! lädt zum »Lesertreffen«. Illustre Redner wie Alexander Dugin und Menno Aden sollen Gäste anlocken. Der Kongress könnte aber nicht nur an mangelndem Publikumszuspruch scheitern.

»Irrsinn« titelt Manuel Ochsenreiter auf der Website des »deutschen Nachrichtenmagazins« Zuerst!. In dem Kommentar schimpft der Chefredakteur des publizistischen Flaggschiffs der Verlagsgruppe »Lesen & Schenken GmbH« über den Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Grüne). Denn Anfang Februar hatte Beck Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in einem Brief gebeten, die Einreise des rechtsextremen russischen Geopolitikers und Philosophen Alexander Dugin zu unterbinden. »Meines Erachtens liegt es im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, die Einreise Dugins zu verhindern. Ich rege daher an, Herrn Dugin eine Einreiseverweigerung auszuschreiben«, schrieb Beck. Denn Dugin verfolge nicht »den Gedanken der Völkerverständigung«.

Das war offensichtlich zu viel für Ochsenreiter. Vom 6. bis 8. März will der russische Vordenker eines »Neo-Eurasismus« schließlich als einer der Gastredner des traditionellen »Lesertreffens« der Verlagsgruppe Lesen & Schenken auftreten. Am Sonnabend des Wochenendes soll der »Traditionalist«, wie Dugin sich selbst bezeichnet, nach »offenem Singen und Volkstanz« über »Russland und den Ukraine-Konflikt« referieren, Untertitel des Vortrags: »Den Zwängen der Geopolitik kann sich niemand entziehen«.
In dem Kommentar, der zugleich das Editorial der soeben erschienen März-Ausgabe von Zuerst! ist, fragt Ochsenreiter: »Will der grüne Schwulenlobbyist Beck darüber hinaus sein privates Mütchen gegen Russland kühlen? Bei seinen PR-Auftritten zugunsten von Homo-Aufmärschen in Moskau war er in der Vergangenheit von der Polizei verhaftet und von aufgebrachten Bürgern verprügelt worden.« Und er wettert sogleich weiter, Beck und die Grünen interessierten sich sonst auch nicht dafür, wer nach Deutschland komme. »Drogendealer, Extremisten aller Couleur und Kriegsverbrecher stören sie nicht«, schreibt er, »aber ein russischer Patriot, der für deutsch-russische Partnerschaft eintritt«, solle an der Einreise gehindert werden. Diese »Kampagne« gegen Zuerst! und Dugin sei ein Angriff auf die »Meinungsfreiheit«. In einem Leserkommentar auf der Website wird eine vermeintliche historische Parallele ausgemacht. »Vor ca. 75 Jahren hat man nicht gewollte Bücher verbrannt und heute will man ein Rede- und Einreiseverbot für unangenehme Philosophen durchsetzen«, schreibt ein Hans Vigerl.
Im publizistischen Angebot der von Dietmar Munier in Martensrade nahe Kiel geleiteten Verlagsgruppe wird Geschichte regelmäßig auf solch eigene Art ausgelegt. Unter dem Titel »Karrierist mit Gedächtnislücken« schreibt Xavier Warnecke in der aktuellen Ausgabe von Zuerst! anlässlich des Todes des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizäcker, dieser habe sich in seiner »Bundestagsrede zum 8. Mai 1985, dem vierzigsten Jahrestag des Kriegsendes, (…) bislang der antifaschistischen Rhetorik vorbehaltene Stereotype zu eigen« gemacht, »indem er das Datum der schlimmsten Katastrophe der deutschen Geschichte flugs zum ›Tag der Befreiung‹ umdeutete«.

In der Einladung zum diesjährigen »Lesertreff« – Kostenbeitrag 148 Euro pro Person im Doppelzimmer, 180 Euro im Einzelzimmer – wird der Tagungsort nicht genannt. Dazu schreiben Ochsenreiter und Munier lediglich, dass das Treffen in einem »erstklassigen Tagungshotel im Raum Sachsen-Anhalt/Thüringen« stattfinden werde. Das dürfte den Sorgen wegen möglicher Proteste gegen die Veranstaltung geschuldet sein. Im vergangenen Jahr fiel das »Lesertreffen« aus, an dem sich sonst auch der »Schulverein Ostpreußen« beteiligt. Durch einen Pächterwechsel, schreiben Ochsenreiter und Munier, hätten sie damals ihr »langjähriges Tagungshotel in Franken« verloren. Bei dem neuen Hotel in Sachsen habe der Wirt, Mitglied der Grünen, dem »linken Druck« nicht standgehalten, so dass das »Lesertreffen pausieren« musste.
Die ausführlichen Vorbemerkungen zum Programm machen Chefredakteur und Verleger nicht ohne Grund. Die Kosten für das »Lesertreffen« wurden nicht gedeckt. Nun betonen sie: »Deswegen geht es jetzt um die Wurst! (…) Wenn Ihr nun nicht in massiver Zahl erscheint, dann sind diese Tagungen mausetot.« Und sie weisen darauf hin: »Wir haben für euch ein Programm der Superlative auf die Beine gestellt.«
Von Freitag bis Sonntag dürfen die Gäste denn auch etliche Referenten hören. Zu den Rednern mit größerem Bekanntheitsgrad gehört Menno Aden. Der Vorsitzende der »Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft« (SWG) spricht über »Feind­liche Verwandtschaften: Deutsche Fürsten auf fremden Thronen«. Oberst a. D. Klaus Ulrich Hammel, SWG-Referent und Gelegenheitsautor der Jungen Freiheit und der Nationalzeitung, redet zum »Schicksalsjahr 1945: Der Untergang Ostpreußens«.
Auch Walter Prost spricht über Krieg. Allerdings möchte er, der auch schon bei der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e. V.« sprach, über den »Ersten unnötigen Krieg: Die Ursachen des Ersten Weltkriegs« referieren. James Bacque soll sich zum »Massenmord in den Rheinwiesenlagern« und über die »Rolle der westalliierten Besatzungsmächte und das Schicksal deutscher Kriegsgefangener« äußern. Barbara Rosenkranz von der »Freiheitlichen Partei Österreich« wird indes über »Europa fördern, EU zähmen, Euro stoppen« reden.
Ein Interview mit Dugin, der in der Vergangenheit auch schon »den Kreml« beriet, in der Märzausgabe von Zuerst! lässt seine möglichen Aussagen auf dem »Lesertreffen« erahnen. Dugin, der 1994 die »Nationalbolschewistische Partei Russlands« und 2002 die »Eurasische Partei« mitgründete, erklärt, dass »in ganz Europa« die euroskeptischen Parteien auf »dem Vormarsch« seien, »die die US-Hegemonie und den ultra-liberalen westlichen Wertekatalog kategorisch ablehnen«. Große europäische Veränderungen erwarte er, die auch Landesgrenzen neu bestimmen könnten. Das EU-»Imperium« zwinge zum Widerstand, denn es sei ein »negatives«, das die »unterschiedlichen Traditionen, die ethnischen Unterschiede und kulturellen Identitäten auf dem europäischen Kontinent« negiere. Eine Kritik, die nicht ohne den Vorwurf auskommt, der »liberale Individualismus« und der »Menschenrechtsimperialismus« zerstörten Europa.

Sein Fazit im Interview lautet: »Es gibt eine geopolitische Notwendigkeit für eine (…) zu gestaltende europäische Förderation oder Allianz, wenn der Kontinent in Zukunft eine Rolle spielen will.« Die EU sei »antieuropäisch« und »ein Werkzeug zur Zerstörung europäischer Traditionen und Werte«, beziehungsweise noch schlimmer: »ein Werkzeug, das Europas Kultur tötet«. Nur ein »starkes und freies Europa« sei die Rettung, so Dugin, der in der gesamten rechtsextreme Szene Zuspruch findet.
Der Tagungsort war bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Vielleicht führt Protest erneut zu einer Absage des »Lesertreffens«. Das könnte, wie Ochsenreiter und Munier selbst ­schreiben, das Ende für die Veranstaltung sein.