Die Jihadisten haben vor allem in ökonomisch abgehängten Regionen Erfolg

Armut und Terror

Mit Kenia und Nigeria trifft der islamistische Terror von al-Shabaab und Boko Haram zwei der erfolgreichsten Ökonomien in Afrika. Obwohl die Angriffe teils auf die wirtschaftlichen und politischen Zentren zielen, prosperieren die Islamisten vor allem in den abgehängten Regionen beider Länder.
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Noch in den neunziger Jahren schienen Kenia und Nigeria in einem Chaos aus fehlschlagender Demokratisierung, endemischer Korruption und Ethnisierung der Politik zu zerfallen. Doch im Schatten der Staatskrisen entwickelte sich in den urbanen Zentren beider Länder ein relativ stabiles wirtschaftliches Wachstum. Beide Nationalökonomien wuchsen über ein Jahrzehnt lang zwischen vier und acht Prozent pro Jahr. Das reichte jedoch nicht, um die Mehrheit der Bevölkerung aus der absoluten Armut zu befreien, ­gerade weil die Wirtschaftspolitik vor allem auf den Export setzte.
Aber das Wachstum im landwirtschaftlichen Bereich, in der Telekommunikation und in den Dienstleistungsindustrien ermöglichte immerhin die Entstehung einer Mittel- und Oberschicht, die – anders als zuvor – nicht identisch mit der politischen Klasse ist. Diese neue Bourgeoisie hat ein Interesse an einem funktionierenden Staat, und dieser Umstand hat die demokratischen Systeme in beiden Ländern zumindest ansatzweise stabilisiert.
So konnten die Vertreibungen und Massaker nach den umstrittenen Wahlen 2008 in Kenia schnell gestoppt werden. In Nigeria schaffte es der Zentralstaat, Rebellionen im ölreichen Südosten mit großzügigen finanziellen Zuwendungen zu befrieden. In beiden Ländern fanden in den vergangenen Jahren friedliche demokratische Machtwechsel statt, obwohl sich die Kontrahenten aus dem politischen Establishment weiterhin oft unversöhnlich gerieren.
Doch all dies findet vor allem in den politischen und wirtschaftlichen Zentren Nigerias und Kenias seinen Niederschlag. In Nigerias muslimisch dominierten nördlichen Provinzen am Rande der Sahel-Zone kommt von diesem Wachstum so gut wie nichts an. Der Zugang zum Weltmarkt, auf den die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte ausgerichtet war, ist von hier so weit entfernt wie der Hafen der Metropole Lagos am Atlantik.
Obwohl gerade die nördlichen Provinzen die Heimat der militärischen Eliten sind – auch der zuletzt demokratisch gewählte ehemalige General und Diktaror Muhammadu Buhari stammt von hier – schien die Armee die Bedrohung durch Boko Haram lange nicht ernst zu nehmen. Erst Truppen aus den nördlich angrenzenden Prätorianerstaaten Niger und Tschad, die beide von Frankreich unterstützt werden, konnten die Geländegewinne der Islamisten zuletzt stoppen.
Die Terroristen der al-Shabaab haben in Kenia nie Geländegewinne angestrebt, da ihr politisches Hauptinteresse im nördlich gelegenen Somalia liegt. Erst die Intervention des kenianischen Militärs in Somalia, die als Teil einer ostafrikanischen, westlich unterstützten Allianz stattfindet, führte zu Gegenschlägen der Islamisten auf kenianischem Territorium. Doch auch hier profitieren die Islamisten vom wirtschaftlichen Niedergang randständiger Gebiete. Dass sich Regierung und Sicherheitskräfte wenig für den Schutz der Zivilbevölkerung zu interessieren scheinen, verstärkt die Ressentiments gegen einen Zentralstaat, der sein Handeln einzig auf die urbanen Zentren konzentriert.