Antisemitismus und der 11. September

9/11 was an inside schmock

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Hier wird die Schnittstelle zwischen nationalsozialistischer und verschwörungsideologischer Weltanschauung deutlich: Antisemitismus. Und so wird aus dem Terroranschlag ein Verschwörungsmythos, der sich nahtlos in den Antisemitismus der Moderne einreiht: Bilderberger, Illuminaten, Tempelritter, Mossad, Israel und die CIA inklusive. Hierbei bestätigt sich auch die These vom Antisemitismus als negativer Leitidee der Moderne: Verschwörungsideologien sind immer auch eine Reaktion auf das Unbehagen an den Widersprüchen der Moderne, Erklärungsmuster, die diese Widersprüche in Einklang bringen. Der 11. September 2001 war nicht nur wegen der Tragödie und der medialen Wucht eine Zäsur, sondern auch, weil die Komplexität internationaler Politik in einem Ereignis kulminierte.

Im Zuge der verschwörungsideologischen Aufarbeitung von 9/11 wurde beispielsweise dann auch die Zusammenarbeit der USA mit den Mujaheddin und dem Schah von Persien in den Fokus gerückt. Gerade mit Blick auf den Iran wurde hier eine bizarre Umdeutung der historischen Ereignisse von 1953 vollzogen: Der Iran unter Mossadegh als das Opfer der NWO, also der USA, also Israel, also »der Juden«, die als Strafe den Schah einsetzten. Die Mullahs, die nach dem Stirz des Schahs die Macht ergriffen, werden in der Erzählung zu Freiheitskämpfern für das iranische Volk gegen die, nun ja, Juden. Mit einem geschult kritischen Blick sollte jeder und jedem klar sein, dass verschiedene Akteure Interesse an einem Sturz Mossadeghs hatten. Dennoch wird der Iran als Opfer stilisiert, das sich zu Recht gegen den Staat Israel wehrt.

Das ist die unterkomplexe verschwörungsideologische Erklärung, und der Kreis zum Antisemitismus wird endgültig geschlossen. 9/11 ist seit nunmehr 14 Jahren der zentrale Verschwörungsmythos unserer Zeit. Überall sieht man »9/11 was an inside job«-Shirts, -Poster und Gratis-DVDs. Der 11. September ist ein regelrechter Feiertag der Antisemiten geworden, die sich weltweit unter dem Banner der »Wahrheit« und »Aufklärung« finden, um ihren antisemitischen Vernichtungsphantasien freien Lauf zu lassen. Dabei ist der 11. September ein Tag zum Feiern: Es ist Adornos Geburtstag, dieses Jahr wäre er 112 Jahre alt geworden. Aber vielleicht ist das auch nur ein Hinweis darauf, dass die NWO ihre Kritikerinnen und Kritiker nur allzu gut kennt.