Autoritäre Herrschaft in Zentralafrika

Die autoritäre Versuchung

In den Staaten der Region der Großen Seen im zentralen Afrika gefährdet die Tendenz zu autoritärer Herrschaft den instabilen Frieden, der die internationalen Kriege und bewaffneten Konflikte der neunziger Jahre abgelöst hat.
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Die Regime in den Ländern der Region der Großen Seen im zentralen Afrika lernen erfolgreich voneinander. Ob in Uganda, Ruanda, Burundi oder in der Demokratischen Republik Kongo, überall waren oder sind die Amtszeiten der Präsidenten nach amerikanischem Vorbild begrenzt. Damit sollte eine Neuauflage autoritärer Herrschaft verhindert werden, gegen welche die heutigen Präsidenten dieser Länder einst als Rebellenführer angetreten waren. Doch einmal an der Macht, zeigen sich die ehemaligen Rebellen unwillig, wieder abzutreten.
Den Anfang machte Ugandas Yoweri Museveni. 1986, kurz nachdem er den Bürgerkrieg im Land gewonnen hatte, erklärte er: »Das Problem in Afrika im Allgemeinen, in Uganda im Speziellen, sind nicht die Menschen. Sondern Anführer, die zu lange an der Macht bleiben.« 2005 hatte er seine Meinung zumindest über Uganda geändert und ließ den Verfassungsparagraphen zur Begrenzung der präsidialen Amtszeiten modifizieren. So genügte es bei den Wahlen im Februar, die Ergebnisse zu fälschen und die Oppositionsführer festzusetzen. Museveni, der seit 1986 regiert, wurde mit 60 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
In Burundi interpretierte das Regime die Verfassung um, so dass die erste Amtsperiode von Präsident Pierre Nkurunziza nicht länger mitgezählt wurde. Nach der Niederschlagung von Protesten, einem gescheiterten Putschversuch und dem Rückzug der Gegenkandidaten gewann er die Wahl im vergangenen Jahr mit fast 70 Prozent. Nun durchkämmt die Regierung regelmäßig die als oppositionell geltenden Viertel der Hauptstadt und verhaftet offenbar willkürlich junge Männer. In Ruanda wurde die machtbegrenzende Verfassungsregel durch ein Referendum im Dezember aufgehoben. Die Zustimmung der Bevölkerung galt bereits zuvor als ausgemachte Sache, da die Opposition hier schon vor langem mundtot gemacht oder ins Exil getrieben worden ist.
Anders in der Demokratischen Republik Kongo, wo Präsident Joseph Kabila mit einer relativ starken, wenn auch zersplitterten Opposition rechnen muss. Nachdem gesetzliche Initiativen am Widerstand auf den Straßen und im Parlament gescheitert sind, setzt Kabila nun auf eine Verlängerung seiner eigentlich letzten Amtszeit aus technischen Gründen. Das Wahlregister sei veraltet, argumentiert die Regierung. Es brauche Monate oder gar Jahre, um es auf den neuesten Stand zu bringen. Bis dahin müsse die Regierung im Amt bleiben, um ein Machtvakuum zu verhindern. Kürzlich bestätigte das regierungshörige Verfassungsgericht diese Interpretation, so dass Kabila nun theoretisch auf unbestimmte Zeit im Amt bleiben kann. Wenig später wurde der aussichtsreichste Oppositionsführer verhaftet, möglicherweise misshandelt, unter Anklage gestellt und de facto ins Exil verbannt. Demonstrationen werden ohnehin routinemäßig niedergeschlagen.
Dass demokratische Verfahren nach und nach abgeschafft oder ausgehöhlt werden, ist vielerorts zu beobachten. Die Region der Großen Seen erlebte jedoch seit dem Ende der Kolonialzeit und insbesondere in den neunziger Jahren eine Reihe von internationalen Kriegen, bewaffneten Konflikten und in Ruanda einen Genozid. Die Konflikte gelten inzwischen als eingedämmt, nur in den Grenzgebieten im östlichen Kongo sind noch eine Reihe kleinerer lokaler und transnationaler bewaffneter Gruppen aktiv.
Die Einführung demokratischer Verfahren war neben der Etablierung einer Reihe regionaler diplomatischer Organisationen der wichtigste Mechanismus, um einen Rückfall in autoritäre Systeme und bewaffnete Auseinandersetzungen zu verhindern. Die gegenwärtige Aushöhlung der repräsentativen Demokratie gefährdet den instabilen Frieden. Die neuen und alten Regionalorganisationen, die neben der diplomatischen Vertrauensbildung auch eine gegenseitige Kontrolle leisten sollen, erweisen sich nun als nutzlos, da keine Regierung der Region Wert auf demokratische Verfahren legt. Auch die Afrikanische Union, die sich offiziell dem Frieden und der Demokratie verpflichtet hat, erweist sich dank innerer Spaltungen als weitgehend handlungsunfähig. Diverse Vermittlungsver­suche zwischen Regierungen und Oppositionskräften, bei denen die Regime kaum nachgeben werden, sind die bislang einzigen tatsächlichen Aktivitäten der afrikanischen Organisa­tionen.
Dasselbe gilt allerdings auch für die westlichen Staaten und internationalen Organisationen, die den Aufbau von demokratischen Institutionen nach Kriegen und Bürgerkriegen vorangetrieben haben. Eigentlich sollte es den Ländern der Europäischen Union und Nordamerikas ein Leichtes sein, die Regierungen im zentralen Afrika zur Einhaltung elementarer Spielregeln zu drängen. Ugandas Staatshaushalt wird zu etwa einem Fünftel von europäischen Ländern finanziert, Ruanda erhält umfangreiche Hilfen in allen Bereichen staatlichen Handelns, im Kongo und in Burundi werden praktisch alle Sozialleistungen und der ­Erhalt der rudimentären Infrastruktur mit ausländischen Entwicklungsgeldern bezahlt. Tausende ausländischer Experten arbeiten in diesen Ländern, zum Teil sogar direkt in den Ministerien, um die wirtschaftliche Entwicklung und die Demokratisierung voranzutreiben. Im Kongo unterhalten die Vereinten Nationen außerdem eine 20 000 Soldaten starke Friedensmission, deren Auftrag die »Stabilisierung« der nominell demokratischen Republik ist.
Doch nur gegen das Regime in Burundi wurden bislang einige Sanktionen verhängt und direkte Budgethilfen ausgesetzt. Dem Kongo drohen die USA und die EU mit gezielten Sanktionen gegen Vertreter des Regimes. Die beiden Regierungen sind offenbar entschlossen, solche eingeschränkten Maßnahmen auszusitzen. Die Regime in Uganda und Ruanda haben als enge Verbündete der USA und einiger europäischer Staaten hingegen kaum etwas zu befürchten. Uganda stellt fast 7 000 Soldaten für die afrikanische ­Interventionsarmee im Bürgerkriegsland Somalia, die dort islamistische ­Rebellen bekämpfen. Ruanda gehört zu den fünf Ländern, die die größten Truppenkontingente für Blauhelmmissionen der Vereinten Nationen stellen. Diese Interventionstrupppen werden wesentlich durch westliche Staaten finanziert, ihre Bataillone haben wertvolle Einsatzerfahrung und genießen eine steigende geostrategische Bedeutung. Für die afrikanischen regime sind sie auch finanziell lukrativ. Daher prüft die Europäische Union nun, ob sie die 6 500 burundischen Soldaten in Somalia auch an der Regierung vorbei bezahlen kann.
Damit bleibt nur die Möglichkeit, dass Straßenproteste oder neue bewaffnete Rebellionen die Regime zum Einlenken bringen. Allerdings war auch der »Sicherheitssektor«, also Militär und Polizei, in den vergangenen Jahren Objekt intensiver westlicher Reform­anstrengungen. Nun können alle Regierungen auf gut ausgebildete und ausgerüstete Polizeien zurückgreifen, die Straßenproteste mehr oder weniger routiniert unterbinden. Zudem fehlt es den Oppositionskräften häufig an dauerhafter Organisation, so dass Demonstrationen und Blockaden zwar teils über Tage anhalten, aber keine weiteren Folgen nach sich ziehen.
Auffällig ist, dass die wichtigsten Herausforderer der Regime aus dem engsten Umfeld der Präsidenten stammen. In Uganda führt mit Kizza Besigye der ehemalige Arzt des Präsidenten die Opposition an. Die schwache ruandische Exilopposition stammt ebenfalls aus dem Milieu ehemaliger Mitstreiter von Präsident Kagame. In Burundi wandten sich Generäle gegen die Regierung, die mit dem Präsidenten einst den Guerillakrieg geführt haben. Kongos Moïse Katumbi schließlich gehörte zum engsten Kreis um Präsident Kabila. Durch seine Kontakte zum Regime erhielt er lukrative Konzessionen zur Ausbeutung von Rohstoffen, wodurch er Afrikas erfolgreichstes Fußballteam TP Mazembe finanzieren konnte. Schließlich wurde er Gouverneur der rohstoffreichsten Provinz des Landes, bis er im Streit von Präsident Kabila entmachtet wurde.
Eine Rückkehr zu Großkonflikten droht trotz allem nicht unmittelbar. Anders als in den neunziger Jahren gibt es wenig Anreize für einzelne Regierungen, die Konflikte in den Nachbarstaaten durch die Unterstützung von Rebellengruppen anzuheizen. Dadurch sind die jeweiligen oppositionellen Gruppierungen militärisch derzeit nicht in der Lage, den offenen Konflikt zu suchen. Die Regime im Kongo und in Burundi sind informell mit­einander verbündet, während Uganda sich inzwischen eher in der Rolle eines Mediators gefällt. Einzig das ruandische Regime, das sich als Schutzmacht der Tutsi-Minderheiten auch in den Nachbarländern sieht, könnte, wenn diese Minderheiten bedroht werden, wieder größere militärische Operationen erwägen.