Die Friedensverhandlungen in Kolumbien sind abgeschlossen

Herausforderung Frieden

Die Friedensverhandlungen zwischen der Guerilla Farc und der kolumbianischen Regierung wurden vergangene Woche abgeschlossen. Nicht alle sind mit dem Abkommen zufrieden, doch zurück zum Bürgerkrieg will kaum jemand in Kolumbien.

»Die beste Form, einen Krieg zu gewinnen, ist, über sein Ende zu verhandeln«, meinte Humberto de la Calle, der Verhandlungsleiter der kolumbianischen Regierung, als das Friedens­abkommen mit der Guerilla Farc am Mittwoch vergangener Woche end­gültig ausgehandelt war. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos jubelte in Havanna: »Heute ist das Leiden zu Ende.« Deutlich weniger enthusiastisch war Iván Márquez von den Farc. »Die bewaffnete Auseinandersetzung ist zu Ende. Jetzt beginnt der Kampf der Ideen«, sagte er nach dem Ende der fast vier Jahre dauernden Verhandlungen.
So viel Zeit war nötig, um die weit auseinander liegenden Positionen der Regierung und der größten und ältesten Guerillaorganisation Lateinamerikas auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Der Friedensvertrag umfasst nun 297 Seiten und soll Mitte September von Präsident Santos und dem Farc-Kommandant Rodrigo Londoño unterzeichnet werden. Zuvor soll das Dokument, das sechs entscheidende Punkte enthält, im kolumbianischen Kongress analysiert und ratifiziert werden. Die Annahme gilt als sicher, weil Santos’ Soziale Partei der Nationalen Einheit (Partido de la U) dort über eine komfortable Mehrheit verfügt. Auch die Annahme des Papiers auf der Konferenz der Farc, an der alle Kommandanten teilnehmen werden, gilt als sicher, obwohl die Farc-Einheit Frente Armando Ríos in den vergangenen Wochen angekündigt hatte, die Waffen nicht niederzulegen.
Mit der Unterzeichung des Friedensvertrags soll die Demobilisierung der 7 000 bis 8 000 Guerilleros beginnen. Angeblich sammeln sich die verschiedenen Einheiten der Farc bereits, um sich zu den 23 sogenannten Übergangszonen sowie acht Camps zu begeben, obwohl der Waffenstillstand offi­ziell erst am Montag begonnen hat. Mit der Unterschrift unter den Vertrag verpflichtete sich die Farc dazu, detaillierte Angaben über ihr Waffenarsenal zu machen, das sie innerhalb von 180 Tagen komplett übergeben soll. Darüber wachen sollen UN-Experten. Am 2. Oktober soll es zudem ein Referendum über das Abkommen geben, für das beide Seiten bereits Stimmen sammeln. Die jüngste Umfrage vom Freitag vergangener Woche hat 39,2 Prozent Zustimmung für das Abkommen gebracht. Dem standen 27,7 Prozent gegenüber, die das Abkommen ablehnen. 10,5 Prozent der Befragten gelten als unentschlossen; 21,8 Prozent wollen beim Referendum nicht abstimmen.
Das ist eine kleine Überraschung, denn in den vergangenen Monaten haben die Gegner des Friedensabkommens um den ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe Vélez die Umfragen angeführt. Der machte jüngst auch wieder kräftig Stimmung, indem er prognos­tizierte, dass sich die Guerilleros »in eine neue paramilitärische Gruppe verwandeln« würden. Auch die geplante Landreform, die Übergangsjustiz und die vereinbarte Aufnahme von je fünf Farc-Repräsentanten in Kongress und Senat kritisierte der Vorsitzende der Partei Centro Democrático vehement. Doch daran ist kaum zu rütteln und die Wochenzeitung Semana wies schon einmal darauf hin, dass einige Farc-Anführer deutlich besser ausgebildet seien als ihre politischen Gegner vom Partido de la U oder dem Centro Democrático.
Aber selbst wenn die Befürworter des Friedensabkommens das Referendum gewinnen, beginnt damit erst dessen Umsetzung. Die ist bereits in der Landfrage alles andere als einfach, wie die vergangenen Jahre zeigen, in denen nur etwa 100 000 Hektar illegal enteigneten Landes an die ursprüng­lichen Besitzer zurückgegeben wurden. Mindestens zwei Millionen Hektar Ackerland wollte die kolumbianische Regierung im Zuge des »Gesetzes der Opfer und der Rückgabe des Landes« von 2011 eigentlich zurückgeben, Experten gehen hingegen von sechs bis zehn Millionen Hektar aus, die um­verteilt werden müssten.
Dafür fehle es an Fachleuten, an staatlicher Präsenz in vielen Regionen und am politischen Willen, kritisieren Oppositionelle wie der Abgeordnete Alirio Uribe Muñoz und der Senator Iván Cepeda von der linken Partei Polo Democrático Alternativo. Gleichwohl hoffen sie, dass der Friedensprozess einen Rückfall in den Krieg verhindert, denn diesen will niemand mehr in dem kriegsmüden, aber nach wie vor konfliktreichen Land. Die sozialen Probleme, die zum Bürgerkrieg führten, bleiben ungelöst, und auch die zahlreichen Verbrechen, die in diesem mehr als 50 Jahre dauernden Konflikt verübt wurden, werden kaum geahndet.
Das gelte unter anderem für die Tausenden Fälle von Verschwundenen, mahnt die Stiftung Nydia Erika Bautista, die sich für die Aufklärung dieser Verbrechen engagiert und deren Vertreter zu den Verhandlungen in Havanna eingeladen waren. Sie konnten durchsetzen, dass eine spezielle Kommis­sion für diese Fälle eingesetzt wird. Aber ob und wie die Kommission ihrer Arbeit nachgehen wird, müsse sich erst zeigen und vieles hänge davon ab, ob die nötigen Mittel zur Verfügung ­gestellt werden, argumentieren Opfervertreter.