Im österreichischen Fernsehsender Servus TV kommen FPÖ und sogenannte Identitäre zu Wort

Ein Sender für den Homo Austriacus

Der österreichische Privatsender Servus TV machte anfänglich mit aufwendigen Naturdokumentationen auf sich aufmerksam. Mittlerweile betreibt er auch rechtsextreme Propaganda.

Red Bull verleiht nicht nur Flügel. Das österreichische Unternehmen, das für das koffeinhaltige Getränk mit dem penetranten Duft bekannt ist, sorgt auch für Erfolg im Profifußball. Nachdem das Konzern­oberhaupt Dietrich Mateschitz eine Leipziger Mannschaft übernommen hatte, verwandelte sich diese von einem Amateurverein zum Meisterschaftsaspiranten in der Bundesliga. Derzeit befindet sich RB Leipzig auf Platz zwei.
Manche traditionsbewusste Fans nennen das Phänomen »Plastikfussball«. Für sie symbolisieren der Mäzen Mateschitz und RB Leipzig die Kommerzialisierung des Profifußballs, in dem freilich längst vor dieser Übernahme Millionen für Spieler und Lizenzen hin- und hergeschoben wurden. Den ebenfalls häufig erhobenen Vorwurf der »Entwurzelung« im Fußball macht Red Bull jedoch in einer anderen Branche mit einer guten Portion Heimatliebe wett. Servus TV, ein zum Red Bull Media House gehörender österreichischer Privatsender, fiel zunächst mit aufwendig produzierten Naturdokumentationen auf. Mittlerweile entwickelt sich Servus TV jedoch zum Heimatsender und zum Forum jener, die den »etablierten Medien« und den »linksintellektuellen Globalisten« den Kampf ansagen.

Gleich mehrere Male lehnten sich die Macher des Senders in den vergangenen Monaten gegen das vermeintliche Establishment auf; etwa als Martin Sellner von der rechtsextremen »Identitären Bewegung Österreich« im »Talk im Hangar 7« saß, um über die Radikalisierung von Jugendlichen zu diskutieren. Neben vielen anderen kritisierte auch der ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, dass »vom Verfassungsschutz beobachtete Neonazis an TV-Debatten einfach so teilnehmen können« – und kassierte dafür einen Shitstorm. Michael Fleischhacker, Moderator der Talkrunde, verstand die Bedenken nicht. Der Mainstream sei langweilig, äußerte er sich in einem Interview zu dem Vorfall. In seiner Sendung wolle er auch »extremere Standpunkte« vertreten sehen und »nicht nur dieses mittige Geschwafel«.
Dass die Forderung nach »extremeren Standpunkten« keine leere Floskel war, zeigte sich in den folgenden Sendungen: Marcus Franz, Politiker der Partei »Team Stronach«, durfte als bekennender »Pograpscher« seine Meinung zur Gleichstellung von Frauen äußern. Im Februar schwadronierten der FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky und Martin Lichtmesz zur Frage: »Politiker wie Trump: Ist das unsere Zukunft?«, Lichtmesz ist Autor der neurechten Zeitschrift Sezession, schreibt für die Junge Freiheit und veröffentlicht Bücher mit Titeln wie »Die Verteidigung des Eigenen«. Anfang März durfte Stefan Magnet, nach Angaben von Servus TV »Berater von Alternativmedien« und Autor von Info-Direkt, einem mit Compact vergleichbaren Magazin, Antworten auf die suggestiv formulierte Frage »Fake News und Lügenpresse: Wem kann man glauben?« liefern.
Für den Intendanten von Servus TV, Ferdinand Wegscheider, ist das alles nicht nur unbedenklich, sondern vielmehr Alleinstellungsmerkmal seines Fernsehsenders. Servus TV beuge sich nicht dem »ideologischen Diktat einer linksintellektuellen Meinungselite« und setze weiterhin »lästige Themen« auf seine Agenda, so Wegscheider auf die Kritik an der Einladung von Sellner.
Auch die »Identitäre Bewegung« stört sich am vermeintlichen media bias – so sehr, dass Mitglieder der Organisation Anfang März auf das Dach des steirischen ORF-Landesstudios in Graz stiegen. Ihre Intervention wollten sie als Antwort auf »eine bewusste Irreführung der Österreicher über die Auswirkungen der Massenzuwanderung« verstanden wissen. Ein Transparent richtete sich gegen die Rundfunkgebühren: »Kein Geld für #Fakenews«.
Intendant Wegscheider ist ebenfalls kein Freund der Zuwanderung. Mit seinem wöchentlichen Kommentar »Der Wegscheider« mischt er auch selbst mit. In die drei- bis fünfminütigen Beiträgen werden die Zuschauer mit dem Satz »Da scheiden sich nicht nur die Wege, sondern auch die Geister« eingeführt. Was dann folgt, ist bizarr: Ein Mann mit Hornbrille und stoppeliger Halbglatze lässt sich mit Zynismus und in passiv-aggressivem Ton über den EU-Besuch des österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, die »Meinungsdiktatur« der Mainstream-Medien, über Flüchtlinge und die »Überfremdung« aus – um dann süffisant ein »gell!« im Dialekt nachzuschieben.

Nicht nur rechtsextreme Funktionäre, sondern auch Extremsportler Felix Baumgartner findet Gefallen am österreichischen Sender Servus TV.

Nicht erst seit seiner Rolle als »Der Wegscheider« ist Wegscheider als österreichischer »Privatfernsehpionier« bekannt. 1995 gründete er mit »Salzburg TV« den ersten Privatsender, der zunächst über Kabel zu empfangen war. Im Jahr 2000 versuchte er, den Sender auf Antenne auszustrahlen. Weil es damals in Österreich noch kein Privatfernsehgesetz gab, war das illegal und »Salzburg TV« wurde geschlossen. Wegscheider demonstrierte und trat sogar für zwei Wochen in Hungerstreik. 2001 wurde das Gesetz eingeführt, 2007 übernahm Red Bull den Sender und benannte ihn 2009 in Servus TV um. Nachdem sich Wegscheider wegen Meinungsverschiedenheiten vom Sender verabschiedet hatte, kam er 2014 als Ressortleiter für »Informationen und Aktuelles« zurück. Seit April 2016 leitet er den Sender, entscheidet also über Budget und Programm.
Trotz des geringen Markanteils von 1,9 Prozent ist Servus TV einer Umfrage der auflagenstärksten Programmzeitschrift des Landes, TV Media, zufolge der beliebteste Sender Österreichs. Freunde hat der »Heimatsender« vor allem auch bei der »Heimatpartei«. Der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache teilte auf seiner Facebook-Seite mehrere Ausbrüche Wegscheiders. Auch das der FPÖ nahestehende Webportal unzensuriert.at freute sich über die »köstliche Satire« und »einen wirklich unabhängigen Sender«.

Nicht nur rechtsextreme Politiker und Publizisten, sondern auch der von Red Bull gesponserte Extremsportler Felix Baumgartner findet Gefallen am Programm von Servus TV. Der ehemalige Basejumper, der 2012 mit seinem Stratosphärensprung berühmt wurde, sprach auf Facebook dem Identitären Sellner seinen Respekt aus: In der Sendung auf Servus TV habe ihn der »junge, intelligente Gesprächspartner« mehr als die »meisten Politiker zusammen in den vergangenen Jahren« überzeugt – »vom Rechtsradikalen keine Spur«.
Bemerkenswert ist, dass Servus TV den Heimatwahn seines Publikums nicht nur negativ mit dem Kampf gegen das Establishment, sondern auch positiv zu bedienen weiß. Dies stellte Patrick Lenart von der »Identitären Bewegung« in einem Gastkommentar auf info-direkt.eu fest: Nicht nur das »ausgewogene Verhältnis zwischen den Diskutanten und Meinungen« und der »berüchtigte Wegscheider« zeichneten den Sender aus, sondern auch die »wunderschönen Heimatreportagen«. Gemeint sind Formate wie »Homo Austriacus« und »Abenteuer Österreich«. »Heimatleuchten« ging kürzlich auf Sendung, der Untertitel des Formats lautet: »Unseren Wurzeln auf der Spur«. Der Konzern Red Bull macht mit dem »Heimatsender« Servus TV also den Vorwurf der Künstlichkeit im Fußball durchaus wett. Ein bisschen Plastikfußball hier, dafür ganz viel Heimatliebe dort – das mag keine bewusste Geschäftsstrategie sein, ist angesichts der derzeitigen politischen Lage aber ein bezeichnender Zufall.