Neue Alben von Johnny Mauser und Captain Gips

Tanz mit dem schwarzen Hund

Johnny Mauser und Captain Gips legen neue Soloalben vor. Diese sind persönlicher und differenzierter als das, was man gemeinhin unter Zeckenrap versteht.

Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft: Als der Hamburger Rapper Captain Gips vor acht Jahren das Album »Politisch Motivierte Sprachgewalt« seines ihm bis dahin unbekannten linken Rap-Kollegen Johnny Mauser hörte, war er davon so begeistert, dass er diesem eine ­E-Mail schrieb. »Damals war ich gerade richtig genervt von der deutschen HipHop-Szene«, erinnert sich Captain Gips beim Gespräch in Hamburg. »Es schien nur noch um Gangsterkram zu gehen, um dicke Autos und die Degradierung von Frauen. Da war ich froh, mal wieder etwas Fortschrittliches, Politisches zu hören – und das musste ich ihm mitteilen.« Johnny Mauser schätzte seinerseits die Songs von Captain Gips, seitdem sind sie unzertrennlich. Sie nehmen gemeinsam Songs auf, featuren sich gegenseitig und bilden mit ihren Mitstreitern Marie Curry und Spion Y die auch kommerziell erfolgreiche HipHop-Band Neonschwarz. Dort ist laut einem nicht ganz ernst gemeinten und trotzdem durchaus treffenden Song Captain Gips »der Lustige« und Johnny Mauser »der Antifa«.

Obwohl Gips und Mauser mit Neonschwarz reichlich zu tun haben, bringen beide nach vier Jahren Solopause jetzt bei ihrem Label Audiolith neue Soloalben heraus und gehen – natürlich gemeinsam – auf Tour. Captain Gips nennt sein Werk »Klar zum Kentern«, Johnny Mauser begibt sich auf eine »Mausmission«. Trotz der Gemeinsamkeiten der Künstler unterscheiden sich die Alben auffällig voneinander, gelungen sind sie beide.

»Neonschwarz hat musikalisch und textlich immer eine optimistische Ausrichtung, aber es gibt auch andere Seiten in mir«, sagt Johnny Mauser. »Die kann ich mit einem Soloalbum besser rauslassen. Die Themen der Songs sind oft so ähnlich wie bei Neonschwarz, aber alleine betrachte ich diese eher auf pessimistische und auch mal zynische Weise.« Ein Beispiel dafür ist der verstörende Track »Daddy«, in dem Mauser sich unter Einsatz von reichlich Hall und düsteren Klängen in einen Mann verwandelt, der sich einen autori­tären Vater wünscht. Mauser behandelt hier den Wunsch nach Führer­figuren, wie man ihn beispielsweise bei Anhängern von Trump, der AfD oder der AKP finden kann. Nicht jeder Song ist so dezidiert politisch, es geht in den Texten auch um Lebensentwürfe, persönliche Wünsche oder wie in dem Song »Mir geht es gut« um den guten, alten Trennungsschmerz: »Mir geht es gut / Es könnte gar nicht besser laufen / Mittlerweile fang’ ich wieder an, aus Spaß zu ­saufen / Und an dich denk’ ich nur noch / Wenn ich Kater habe und ­maximal drei Mal an nem Abend /Schicht im Schacht / Und gar nichts wurd’ geklärt / Doch seit neuestem steht ne Mauer um mein Herz.«

Auf sprachlicher Ebene hat Mauser große Fortschritte gemacht. Klangen seine überwiegend politischen Texte früher nach Flugblatt, Proseminar und Plenum, schafft er es jetzt immer häufiger, nicht plakativ und belehrend zu klingen. Stattdessen wird bei ihm nun öfter angedeutet und verklausuliert, ohne dass er deshalb inhaltsleeres Wischiwaschi vorlegen würde. »Meine Texte von früher gefallen mir heute nicht mehr so besonders«, sagt Mauser. »In der linken Szenen kamen die Songs oft gut an, weil ich mich in deutlichen Worten an Themen wie Nationalismus und Neofaschismus abgearbeitet habe – und ich bereue diese Songs auch nicht. Aber aus künstlerischer Perspektive ist die damals gewählte Form für mich nicht mehr interessant. Mein Hauptanliegen war es diesmal, ein gutes Hip­Hop-Album zu machen, das zwar immer noch politisch ist, aber dessen Texte nicht mehr so direkt sind wie früher.« Das ist gelungen. Der Sound der meisten Songs ist roh, nicht besonders melodisch, sondern minimalistisch und an Oldschool-HipHop orientiert, es gibt nur wenige eingängige Hooks. Die Songs schmiegen sich nicht an, möchten nicht nebenbei gehört werden, sondern verlangen nach Aufmerksamkeit. Es lohnt sich, ihnen diese zu schenken.

Die neuen Stücke seines Kumpels Captain Gips sind deutlich leichter zugänglich: uptempo, Bläser- und Streicher-Sounds, eingängige Beats und immer wieder Melodien und Hooks. Hier geht es druckvoller und etwas poppiger zur Sache. Das bedeutet aber nicht, dass der Captain inhaltlich besonders optimistisch oder gar oberflächlich klänge. Klar gibt es wieder komische Zeilen, selbstironische Betrachtungen und Battle­rap mit einem Augenzwinkern. Und auch die Aufforderung zur Faulen­zerei fehlt nicht, die ist so etwas wie sein Markenzeichen. Aber trotz der oft mitreißenden und tanzbaren Songs ziehen ständig dunkle Wolken auf, klingen viele Zeilen pessimistisch oder resignativ. Gips ärgert sich über die Rap-Szene und die Dummheit seiner Mitmenschen, er hadert auch mit sich selbst.

Herausragend ist der Song »Der schwarze Hund«, in dem Gips sich ­einem Thema widmet, das ihn persönlich besonders beschäftigt: »Ich hatte einige schwierige Phasen in den vergangenen Jahren, in denen ich unter Depressionen litt«, erzählt er. »Den Song ›Der schwarze Hund‹ habe ich in einer depressiven Phase geschrieben, und anschließend ging es mir erstaunlicherweise besser. Es war fast so, als hätte ich die Krankheit rausgeschrieben.« Der Song berührt zutiefst und ist sein Meisterstück geworden: »Jeder Schritt ein Kraftakt / Nicht, weil du bequem bist / Unfähig zur Bewegung, die Dunkelheit lähmt dich / Ich frage Jim Beam, ob er mir hilft in der Not / Obwohl ich weiß: Auf diese Nacht folgen drei Tage Tod / Und dann will ich wieder flüchten / Doch ich weiß nicht, wohin / Denn egal, wo ich bin /Es ist in mir drin.«

Gemeinsam mit anderen linken HipHop-Künstlerinnen und -Künstlern waren Mauser und Gips auch beim 2012 gegründeten und mittlerweile aufgelösten Netzwerk Tick Tick Boom dabei. Dieses engagierte sich unter anderem gegen Homophobie und Sexismus, unterstützte diverse politische Initiativen, orga­nisierte sogenannte Zeckenrap-Galas und wollte darauf aufmerksam ­machen, dass es eine ganze Reihe von linken politischen HipHoppern gibt. Den damals verwendeten ­Begriff Zeckenrap halten sowohl Mauser als auch Gips mittlerweile für überholt. »Es war wichtig, dass dieser Begriff geprägt wurde«, sagt Captain Gips. »Mit ihm wurde linker Rap deutlich bekannter und wir ­haben viele coole Leute kennengelernt, mit denen wir immer noch ­befreundet sind. Aber wir wollen uns nicht in dieser Nische einrichten, es muss jetzt anders weitergehen.«

Johnny Mauser stimmt zu: »Es bringt auf Dauer nichts, immer nur vor Leuten aufzutreten, die so ähnlich denken wie wir, und sich dann gemeinsam für unsere tolle Meinung abzufeiern. Es ist spannender, zum Beispiel mit unserer Band ­Neonschwarz auf dem Hurricane-Festival zu spielen, ein eher un­politisches Publikum mit politischen Themen in Berührung zu bringen und am Merchandise-Stand mit den Zuschauern ins Gespräch zu kommen. Das fühlt sich mehr danach an, dass wir wirklich etwas erreichen können. Wenn zusätzlich noch die linken Fans aus den Autonomen ­Jugendzentren kommen und in den ersten Reihen tanzen, dann ist das die perfekte Mischung.«

Captain Gips: Klar zum Kentern/Johnny Mauser: Mausmission (beide erscheinen am 1. September, Audiolith Records)