Proteste gegen manipulierte Präsidentschaftswahl in Honduras

Raus, Hernández

In Honduras finden Massenproteste gegen eine offenbar manipulierte Präsidentschaftswahl und den autoritären Amtsträger Juan Orlando Hernández statt.
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Seit dem Putsch in Honduras im Jahre 2009 kann kaum noch überraschen, was in dem mittelamerika­nischen Land passiert: dass Staatsland an internationale Unternehmen verscherbelt wird, um sogenannte Modellstädte ohne demokratische Teilhabe zu errichten; dass eine der beeindruckendsten Frauen der Region, Berta Cáceres, die ihr Leben lang gegen Rassismus, Machismus, Ungerechtigkeit und gesellschaftlichen Ausschluss gekämpft hat, nach all den Drohungen gegen sie tatsächlich ermordet wird; dass LGBTI-Aktivistinnen erschossen werden; dass Kinder und Jugendliche vom Staat paramilitärisch ausgebildet werden; dass Gelder für das öffentliche Gesundheitssystem auf Konten des Präsidenten landen; dass nicht nur bei der ersten Präsidentschafts­wahl nach dem Putsch, sondern nun offenbar bereits zum zweiten Mal Wahl­betrug begangen wird. Was kann einen da noch erschüttern?

Was immer wieder überrascht an Honduras, sind Menschen, die Widerstand leisten, die nicht aufgeben, sich nicht unterkriegen lassen, die Todesmut zeigen angesichts der Welle von Morden an Oppositionellen, Journalisten, Umweltschützern. Und die den vor einer Dekade begonnenen Kampf für Basisdemokratie und soziale Gerechtigkeit nicht aufgeben.

Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass wie im Jahr 2013 auch dieses Jahr in Honduras ein Wahlbetrug versucht wird. Seit dem Staatsstreich von 2009 hat die Nationale Partei auf die Konzentration aller Staatsgewalten und Kontrollorgane in ihrer Hand hinge­arbeitet. Unter ihrer Herrschaft wurde das Land militarisiert, Drogenhandel und Korruption nahmen überhand. Dass sich die Nationale Partei wieder auf demokratische Prinzipien besinnt, erscheint unter diesen Umständen undenkbar. Getäuscht hat sie sich jedoch in der honduranischen Bevölkerung, die einfach nicht ­resigniert und sich nicht ein für alle Mal angesichts der diktatorischen Zustände in ihrem Land ins Privatleben zurückzieht.

Die Vorgänge im Zusammenhang mit der Stimmenauszählung der Präsidentschaftswahl sind erstaunlich. Nach der Auszählung von über 70 Prozent der Stimmen lag der Oppositionskandidat Salvador Nasralla vom Mitte-links-Bündnis »Allianz gegen die Diktatur« mit fünf Prozentpunkten in Führung. Da hüllte sich die von der Nationalen Partei kontrollierte Nationale Wahlbehörde (TSE) auf einmal in Schweigen. Dann sprach sie von einem Ausfall des Computersystems und von nicht eingetroffenen Stimmen vom Land. Schließlich machte sie einen minimalen Vorsprung des amtierenden autoritären Präsidenten Juan Orlando Hernández aus, der wider dem Wortlaut der Verfassung erneut kandidiert hatte, wollte aber tagelang keine Endergebnis verkünden. Deshalb sind wie nach dem Putsch von 2009 wieder viele Menschen auf der Straße.

Die Machthabenden reagierten prompt. Zunächst einmal ging ­eines der wichtigsten Museen von Honduras in Flammen auf. Brände – von Gefängnissen oder Märkten – sind eine bewährte Schockstrategie der Nationalen Partei. Doch als sich niemand davon ablenken ließ und die Proteste immer stärker wurden, holte die Regierung knapp eine Woche nach den Wahlen vom 26. November das Militär auf die Straße, schränkte Grundrechte ein und verhängte eine zehntägige nächtliche Ausgangssperre.

Seither gab es nach Angaben lokaler Medien mindestens sieben Tote, zudem wurden unzählige Menschen verletzt, festgenommen oder »verschwanden«. Die Bevölkerung setzt sich dennoch heftig gegen einen »Putsch durch Wahlen« zur Wehr. Im ganzen Land brennen Barrikaden auf Überlandstraßen und in den Städten. Zehn-, wenn nicht Hunderttausende gehen tagsüber auf die Straße, nachts wird die Ausgangssperre von einem ohrenbetäubenden Topfschlagkonzert aus den Häusern heraus akustisch durchbrochen. »Fuera JOH!« (Raus, Juan Orlando Hernández!) tönt es in ganz Honduras. Dank des Widerstands einer organisierten Opposition ist die Diktatur auch achteinhalb Jahre nach dem Putsch noch nicht vollständig etabliert.