Die Zahl der Salafisten steigt, besonders in Berlin

Zu viele Salafisten, überforderte Polizisten

Seite 2 – Personelle Überlastung der zuständigen Behörden

 

Früher als in allen anderen deutschen Städten etablierte sich der Lageanalyse zufolge eine Infrastruktur, die »neben Moscheen unter anderem auch Kleidergeschäfte, Buchhandlungen und Lebensmittelläden umfasst«.

Die Mehrheit der für die Broschüre erfassten Salafisten lebt in den westlichen Bezirken, die seit Jahrzehnten von einem hohen Migrantenanteil geprägt sind. Rund 400 der 748 Personen besuchten eine der vier Berliner Moscheen, die den Behörden als Treffpunkte des Milieus bekannt sind: die Neuköllner Al-Nur-Moschee, die Ibrahim-al-Khalil-Moschee in Tempelhof, die As-Sahaba-Moschee im Wedding und die im Februar 2017 ­geschlossene Fussilet-Moschee in ­Moabit.

Nicht genau ausgewiesen werden in dem Bericht Moscheen, die der ebenfalls islamistischen, jedoch in Deutschland nicht zur gewaltsamen Errichtung eines Gottesstaats aufrufenden Muslimbruderschaft nahestehen und regelmäßig von Salafisten besucht werden. Die Autoren spekulieren lediglich über die Gründe, warum Salafisten in solchen Einrichtungen des »legalistischen Islamismus« auftauchen. Es liege »die Annahme nahe, dass diese auch aus lebenspraktischen Gründen frequentiert werden, zum Beispiel wegen ihrer Nähe zum Wohn- oder Arbeitsort«.

Marcel Luthe, der innenpolitische Sprecher der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus, bemängelt im Gespräch mit der Jungle World angesichts der Erkenntnisse des Verfassungsschutzes die personelle Überlastung der zuständigen Behörden. So fehle es zum Beispiel an gut geschulten Mitarbeitern, um das islamistische Vereinswesen zu überprüfen. Zwar habe der neue Berliner Senat geplant, zusätzliches Personal einzustellen. Dies reicht der Ansicht des Abgeordneten zufolge jedoch bei weitem nicht aus, um die bestehenden Probleme zu lösen.

Welches Ausmaß die Überlastung der mit dem Islamismus befassten Polizisten in den vergangenen Jahren angenommen hat, zeigen behördeninterne Dokumente, die dem RBB und der Berliner Morgenpost vorliegen.

»Vor dem Hintergrund der derzeitigen ­Personalsituation ist festzuhalten, dass eine zeitnahe Bearbeitung der Vorgänge mit den zur Verfügung stehenden Dienstkräften im Rahmen der ­regulären Dienstzeit bis auf weiteres nicht mehr möglich ist«, schrieb der zuständige Kommissariatsleiter bereits im Oktober 2015 in einer sogenannten Überlastungsanzeige. Wegen fehlenden Personals könnten »Qualität und Tiefe von Ermittlungsmaßnahmen nicht in allen Fällen dem Optimum entsprechen«, so der Beamte. Ein Jahr darauf erschoss der Jihadist Anis Amri den Fahrer eines Sattelzugs und fuhr mit diesem über den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Der Anschlag kostete elf Menschen das Leben.

Um diese und weitere Versäumnisse aufzuklären, fordert die Berliner FDP einen Ausschuss zur Untersuchung der Missstände im Bereich des Personalwesens bei der Berliner Polizei, Feuerwehr und Justiz. Andreas Geisel (SPD), Senator für Inneres und Sport, verkaufe seine Politik zwar sehr erfolgreich, sagt Marcel Luthe. »Aber bisher kam dabei nur heiße Luft heraus.« Deshalb bezeichnet der FDP-Politiker den Sozialdemokraten spöttisch als »Ankündigungssenator«. Die Berliner Christdemokraten verweigern sich bisher dem Anliegen, einen Ausschuss einzurichten. Nur die AfD hat ihre ­Zustimmung angekündigt. Jedoch würden die Stimmen der beiden Parteien allein nicht ausreichen, um einen Ausschuss einzusetzen.

Im Bundestag wird derzeit darüber verhandelt, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um die Hintergründe des Attentats auf dem Berliner Weihnachtsmarkt zu ermitteln. Viele wichtige Fragen sind bisher noch ungeklärt. Welche Rolle spielte beispielsweise der V-Mann des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen in der Anschlagsplanung? Hatte Anis Amri Mittäter? Welche Pannen unterliefen den Ermittlungsbehörden während der lückenhaften Beschattung des Tunesiers? Doch die Aussichten, dass diese Fragen umfassend ­beantwortet werden, stehen eher schlecht. Derzeit streiten die Bundestagsfraktionen darüber, wie umfangreich ein solcher Untersuchungsausschuss ermitteln soll. Vor allem CDU und SPD wollen den Auftrag eng fassen. Die beiden Parteien stellten im zu ­untersuchenden Zeitraum auf Bundes- wie auf Landesebene die zuständigen Minister.