Die kolumbianische Bergbaupolitik bedroht vielerorts die Wasserversorgung und zieht Menschenrechtsverletzungen nach sich

Dreckiger Motor

Die kolumbianische Regierung will mit der Förderung von Boden­schätzen das wirtschaftliche Wachstum stärken. Der Bergbau gefährdet in einigen Regionen aber die Wasserversorgung. Zudem begehen einige Unternehmen Menschenrechtsverletzungen, um ungehindert fördern zu können.

»Ein Páramo ist ein komplexes Ökosystem oberhalb der Baumgrenze in den Anden. Aus dem von Santúrban beziehen rund zwei Millionen Menschen ihr Trinkwasser. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb der Präsident höchstpersönlich grünes Licht für die Goldförderung in dieser sensiblen Bergregion gegeben hat«, sagt der Bergbauspezialist und Jurist Rodrigo E. Negrete in Bucaramanga. Páramo de Santúrban ist das bekannteste Hochmoor von Kolumbien, und es ist vom Bergbau bedroht. Seit Jahren wird bereits über Minenprojekte rund um die Hochmoore von Santurbán an der Grenze der Departamentos Santander und Norte de Santander gestritten. Verschiedene Projekte sind wieder in der Schublade verschwunden, nachdem es Massendemonstrationen gegen sie im benachbarten Bucaramanga ­gegeben hatte. In der nahegelegenen Großstadt laufen auch derzeit wieder Vorbereitungen für die Verteidigung des einzigartigen Ökosystems. Doch nach jedem vermeintlichen Erfolg der Umweltschützer wird ein neues Abbauprojekt für Gold, Silber und andere Edelmetalle vorgestellt. So auch dieses Mal.

Im November 2017 hob das Verfassungsgericht die Erweiterung des zu schützenden Hochmoorgebiets auf, weil die Umweltschutzbehörde die Grenzen ohne Einbeziehung der lokalen Bevölkerung festgelegt hatte. Kurz darauf fuhr Präsident Juan Manuel Santos in die Vereinigten Arabischen Emirate und kam mit einer Zusage ­zurück: 46 Millionen US-Dollar wolle das Land für den Friedensprozess mit der Farc spenden. Allerdings im Austausch für eine Konzession für den staatlichen Investmentfonds, um über eine Milliarde US-Dollar in den Goldbergbau in Kolumbien zu investieren. Nicht irgendwo, sondern im Páramo von Santúrban. Santos feierte das als Erfolg seiner bergbaufreundlichen Politik, die Investoren aus aller Welt anziehen soll. Die Vereinigung der kolum­bianischen Bergbauunternehmen bekräftigte, dass keinerlei Gefahr für die Wasserversorgung der lokalen Bevölkerung oder die Hochmoorgebiete selbst bestehe. Die lokale Bevölkerung in Bucaramanga und dem weiteren Einzugsgebiet glaubt der kolumbianischen Regierung aber nicht.

Negrete zufolge zu recht: »Die Wasserversorgung der Region um die Großstadt Bucaramanga ist komplett vom Páramo de Santurbán abhängig. Ohne diese Hochebene, die aufgrund der Vegetation sehr viel Wasser speichern kann, ist die Versorgung von 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen im Ballungsraum Bucaramanga unmöglich. Das wissen die Menschen mittlerweile, deshalb ist der Widerstand groß. 70 Prozent der Wasserversorgung Kolumbiens hängt an den 36 Páramos, die es landesweit gibt. Wer sie antastet, spielt mit der Zukunft des Landes.« Für ihn öffnet Santos’ Vorgehen die Türen für den Zugriff auf unter Naturschutz stehende Regionen. Die Regierung will Bergbau und Erdölexploration als Motor der Wirtschaft nutzen und verweist darauf, dass nur so das Friedensabkommen mit der ehemaligen Guerilla Farc zu finanzieren sei. Es geht um die Frage, was wichtiger ist in Kolumbien: der Schutz von Bevölkerung, Trinkwasser und Umwelt oder Investitionen in den Abbau von Ressourcen.

Die Antwort darauf haben Santos und sein Kabinett mehrfach gegeben. Sie setzen auf die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes, vor allem auf den Bergbau. Das zeigt nicht nur das Beispiel des Páramo de Santúrban, sondern auch des Páramo de Sumapaz. Er liegt nur etwa eine Autostunde von der Hauptstadt Bogotá entfernt und gilt als einer der wichtigsten Wasserspeicher des Landes. Bis zum Friedensschluss mit der Farc war der Zugang zu diesem Páramo inmitten des Konfliktgebiets riskant. Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens ist das anders. Jeden Tag sind Busse voll mit Touristen auf den Weg in den Páramo und zurück. Bis zu 1 500 Per­sonen seien es pro Tag, heißt es in lokalen Zeitungen. Mit den Touristen kommt der Müll, den sie liegenlassen, zudem jagen sie ohne Lizenz Wildtiere und lassen jeglichen Respekt für die Umwelt vermissen.

Doch es gibt noch eine weitere Gefahr für den Páramo: den Erdölsektor. 2011 hat die nationale ­Erdölagentur (ANH) zwei große Blöcke von insgesamt 113 000 Hektar Land vergeben, die sich über mehrere Dörfer wie Arbeláez und Pasca sowie erhebliche Teile der Stadt Fusagasugá erstrecken. Bei einer Befragung in der Gemeinde Arbeláez im Juli 2017 stimmte die Bevölkerung gegen die Exploration. Das habe die Vorbereitungen dazu zwar gebremst, aber die Regierung suche nach Hintertürchen, so Negrete. »Kolumbien will sein Extrak­tivismusmodell nicht in Frage stellen. Das hat mir der Bergbauminister Germán Arce persönlich gesagt und dafür werden auch Gesetze modifiziert – zum Beispiel die in der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) geregelte Befragung der lokalen Bevölkerung. Es wird versucht, diesen Mechanismus zu umgehen«, erklärt der Jurist.