Deutsche Linke lieben die Kurden

Alle lieben Apo

Wenn der DKP-Opa mit dem Autonomen und dem Vegananarchisten zum kurdischen Märtyrergruß den Arm erhebt und ein V mit den Fingern bildet, ist es höchste Zeit, sich mit der Linken und ihrem Verhältnis zur PKK zu beschäftigen. Wenn Abdullah Öcalan Monchi von Feine Sahne Fischfilet oder Torsun von Egotronic als Vorbild ablöst und man beim Gang in die Szenekneipe von überzeugten Anarchisten mit Schals in kurdischen Farben und einem fröhlichen »Biji« begrüßt wird, dann weiß man, die radikale Linke hat wieder mal ein Affirmationsobjekt gefunden.

Es gibt drei Typen von Kurdistan-Fans in der deutschen radikalen Linken. Da sind die klassischen Antiimps und Marxisten-Leninisten, die endlich mal wieder eine nationale Befreiungsbewegung feiern können. Bewaffneter Kampf ist bei diesen Gruppen ja sowieso ein Fetisch und so schmücken Blogs, Facebook und Instagram-Profile aus diesem Lager zahlreiche Bilder von kurdischen Kämpferinnen mit Kalaschnikows in der Hand. Die MLPD trägt auf jeder Demonstration gegen den Krieg in Afrin Schilder mit der Aufschrift »Freiheit für Kurdistan und Palästina!« Der antiimperialistische Traum aus den siebziger Jahren ist zurück. Ein unterdrücktes Volk im Kampf, und das auch noch im Zeichen des roten Sternchens. Aber auch im eher »antideutschen« Millieu herrscht Begeisterung. In Rojava zeigen die Kurden ein linkes Selbstverständnis, bekämpfen Islamisten und die Absolution aus Israel gibt es auch noch. Israel unterstützt die Autonomie im Nordirak und auch über die kurdischen Kämpfer in Rojava sind aus Jerusalem kaum kritische Worte zu hören. Die dritte Gruppe der Kurdistanfans sind die Anarchisten. Für sie ist Rojava und der vom PKK-Chef Abdullah Öcalan propagierte »Demokratische Konföderalismus« eine Weiterentwicklung der Theorien des amerikanischen Ökoanarchisten Murray Bookchin. Bookchin, mit dessen Schriften sich Öcalan im Gefängnis intensiv auseinandergesetzt hat, hatte eine Gesellschaftsordnung entworfen, die dezentral, demokratisch und ökologisch sein soll. Seit 2005 wird von der PKK ein darauf aufbauendes Gesellschaftsmodel entwickelt. In mehreren Büchern äußert Öcalan seine Gedanken dazu, wie man eine solche Gesellschaft aufbaut. Der Norden Syriens, von den Kurden als Rojava (Westkurdistan) bezeichnet, wird als erstes Gebiet der Erde genannt, in dem dieses Konzept umgesetzt werde.

Anarchistinnen und Anarchisten sind es auch, die die Praxis in Rojava bisher am härtesten kritisieren. So berichtet eine Anarchistin aus dem Rheinland in der Zeitschrift Găidào, dass zwar viele Strukturen in Rojava von Männern und Frauen gleichermaßen besetzt seien, aber die alten Männer noch immer die Fragen beantworteten, wenn es darauf ankäme. Insgesamt erschiene die Rolle der PKK undurchsichtig. In anarchistischen Gruppen gibt es eine kontroverse Debatte. Denn die Kader der PKK haben politische Erfahrungen, sie drohten daher die Strukturen in Rojava zu dominieren. Viele von ihnen kämen auch nicht aus Westkurdistan, sondern seien Kämpfer aus der Türkei und dem Irak.

Eine weitergehende Kritik äußerte die »Antideutsche Aktion Berlin«. Die Gruppe kritisiert die Unterdrückung von Minderheiten in den von PKK und PYD beherrschten Gebieten, in arabischen Dörfern seien Kriegsverbrechen begangen worden. Außerdem hätten sich diese beiden Organisationen mit dem Assad-Regime arrangiert.

Genaues über das Handeln und die Struktur der kurdischen Linken zu erfahren ist schwierig. Auch bei Reisen nach Rojava erhalten Besucher nur eingeschränkte Einblicke. Zweifellos sind die politischen Verhältnisse dort viel besser als unter der Herrschaft Assads oder der Jihadisten, doch entsprechen sie nicht den revolutionsromantischen Mythen. Es gibt gute Gründe, sich nicht vorbehaltlos dem kurdischen Befreiungsnationalismus zu verschreiben. Auch eine kritische Distanz zur PKK muss niemanden davon abhalten, sich gegen den türkischen Krieg in den kurdischen Gebieten zu stellen und repressive Maßnahmen in Deutschland zu kritisieren.