ექსტრემალური სპორტი - Die Ära der georgischen Spieler beim SC Freiburg

Die georgischen Breisgau-Brasilianer

Vielen Deutschen war lange nicht klar, dass auch in Georgien Fußball gespielt wird – bis der SC Freiburg mehrere Kicker aus dem Land verpflichtete.

Anfang August lud der SC Freiburg zur Feier des 25jährigen Jubiläums seines ersten Bundesligaaufstiegs zu einem »Legendenspiel« gegen den FC Bayern München. Sofort war klar, dass nicht nur die Spieler von 1993 auf dem Rasen stehen würden, sondern weitere Spieler aus der Ära des damaligen Erfolgstrainers Volker Finke. Und so waren sie dann wieder lautstark zu hören, die »Iaschi, Iaschi«-Rufe, die fast ein Jahrzehnt lang durch die Arena hallten, die damals noch Dreisamstadion geheißen hatte. Sie galten dem früheren Publikumsliebling Aleksandre Iaschwili, dem Spieler, der nicht nur lange Rekordtorschütze des SC Freiburg in der Bundesliga war, sondern auch jene Ära georgischer Spieler eingeläutet hatte, die bis heute beispiellos in der Bundesliga ist.

Mit Aleksandre Iaschwili, Lewan Kobiaschwili, Lewan Zkitischwili, Giorgi Kiknadze, Zaza Zamtaradze, Otar Khizaneischwili und David Targamadze waren in insgesamt 14 Jahren sieben verschiedene Georgier im Breisgau, von denen aber nur die ersten drei sportlich relevante Spuren hinterließen.

Die Freiburger Fans hängten beim Rufen der Mannschafts­aufstellung an jeden Spielernamen ein »Willi« dran – aus Torhüter Richard Golz etwa wurde Richard Golz-Willi.

Der SC Freiburg war unter Finke damals so etwas wie das Innovationslabor der Bundesliga. Der attraktive Fußball brachte dem Team den Spitznamen »Breisgau-Brasilianer« ein. Begriffe wie Kurzpassspiel, ballorientierte Raumdeckung, Viererkette und Halbraumspieler, die heutzutage zum festen Vokabular jeder Fußballdiskussion gehören, brauchten noch ein Jahrzehnt, um auch in der breiten Öffentlichkeit anzukommen. Unvergessen der Satz des damaligen Managers des VfB Stuttgart, Dieter Hoeneß: »Wenn die in Freiburg den Klassenerhalt schaffen, dann müssen ja alle anderen jahrelang alles falsch gemacht haben.«

Die Freiburger blieben in der Bundesliga und schafften es 1995/96 ­sogar in den Uefa-Cup, stiegen allerdings 1997 wieder ab. Als der SC in der 2. Liga einen Stürmer suchte, erinnerte sich Finke, der damals Trainer und Sportdirektor in einer Person war, an einen Spieler, den er beim VfB Lübeck gesehen hatte. Und so holte der SC mit Aleksandre Iaschwilli den ersten Georgier nach Freiburg. Schnell wurde der kleine, wendige Stürmer zu einer festen Größe in Finkes System, das auf fußballerischer Qualität statt auf dem klassischen Turmspieler im Sturmzentrum fußte. Früh wurde aus Iaschwilli »unser Iaschi«. Der »Iaschi«, der immer wieder die Backen aufblies, mit seinen Dribblings und Haken den Gegenspielern Knoten in die Beine spielte – und reihenweise größte Chancen vergab.

 

Iaschwili, Kobiaschwili –und Tobias Willi

Nach dem direkten Wiederaufstieg in die Bundesliga suchte der Verein weitere Verstärkung in Osteuropa. Wieder einmal war Freiburg den anderen Teams voraus – während die meisten sich nur im benach­barten Ausland umschauten, wurden Finke und sein Co-Trainer Achim Sarstedt in Ländern fündig, die als weiße Flecken auf der Fußballkarte galten.
Und so kamen in der Folgesaison mit Kobiaschwili und Zkitischwili zwei weitere Georgier nach Freiburg. Aus den Breisgau-Brasilianern waren innerhalb eines Jahres die Breisgau-Georgier geworden.

Mit Lewan »Kobi« Kobiaschwili rückte einer der besten Spieler in der Geschichte des SC ins Team. Linksfuß, guter Schuss, stark in Zweikämpfen, behob er auch eine Schwäche, die den SC Freiburg seit dessen Bundesligaaufstieg plagte: Es gab einfach keinen sicheren Elfmeterschützen im Team. Jeder Elfmeterpfiff hatte bei den Spielern bis dahin eher Unsicherheit und bei den Fans fragende Blicke ausgelöst; die bei anderen Vereinen in solchen Situationen zu spürende Vorfreude auf ein nahezu sicher folgendes Tor war stets ausgeblieben.

Als dritter Georgier kam Zkitisch­wili nach Freiburg. Früh ergraut, war er ein Edeltechniker, mehr Künstler als Arbeiter, dazu immer für den brillanten Pass, aber eben auch für einen Fehler gut. »Zkito« hatte nie die Ausnahmestellung bei den Freiburger Fans wie seine beiden Landsleute, aber auch er war bei Finke Stammspieler.

So richtig ins Bewusstsein der bundesweiten Öffentlichkeit brachte die Freiburger Georgier allerdings erst ein Spieler aus der Jugend des SC. Gute Nachwuchsarbeit war auch so etwas, das in Freiburg früher war als bei vielen anderen Vereinen als wichtig erkannt worden war. Mit dem jungen Tobias Willi spielte sich ein ­local hero in die Herzen der südbadischen Fans. Das Freiburger Publikum, zu dieser Zeit noch nicht in den ermüdenden Dauersingsang heutiger Tage verfallen, huldigte ihm und den Georgiern im Team auf eine ­besondere Art und Weise. Es hängte beim Rufen der einzelnen Spieler­namen, während der Stadionsprecher die Mannschaftsaufstellung verlas, jedem Namen noch ein »Willi« dran. Aus Torhüter Richard Golz wurde also Richard Golz-Willi, aus Tobias Willi dann Tobias Willi-Willi und aus Rekordspieler Andreas Zeyer Andreas Zeyer-Willi – bislang ein in der Geschichte der Bundesliga einmaliges Ritual.

 

Was blieb von der »Willi-Manie« und ihren Protagonisten?

Iaschwili war insgesamt zehn Jahre beim SC und führte in seiner letzten Saison in Freiburg das Team als ­Kapitän aufs Feld. Er wechselte 2007 zum Karlsruher SC und beendete 2016 bei Dinamo Tiflis seine Karriere.

Kobiaschwili wechselte 2003 zum FC Schalke 04, wurde aber bei jedem Auftritt an der Dreisam von den Fans stürmisch gefeiert. »Zieht dem Kobi ein rotes Trikot an!« war nicht nur die Forderung einzelner Fans, sondern der Gesang der gesamten Kurve. Seine letzten Bundesligajahre verbrachte der Spieler bei Hertha BSC. Kobiaschwili schlug nach Ende des Relegationsrückspiels bei For­tuna Düsseldorf im Mai 2012 den Schiedsrichter Wolfgang Stark und erhielt mit einem siebeneinhalbmonatigen Spielverbot die längste Sperre, die je im deutschen Profifußball ausgesprochen wurde. Mittlerweile ist der 41jährige georgische Rekordnationalspieler ein Funktionär auf höchster Ebene: Er ist seit Oktober 2015 Präsident des georgischen Fußballverbands.

Nachdem er gewählt worden war, ernannte er seinen früheren Mitspieler Alexandre Iaschwili zu einem seiner Vize­präsidenten.
Zkitischwili verließ den SC Freiburg im Jahr 2005 und ging zum VfL Wolfsburg, nur um dort nach 15 Spielen seinen Vertrag aufzulösen und zu Panionios Athen zu wechseln, der damals von Finkes Freund Ewald ­Lienen trainiert wurde. »Zkito« beendete seine Karriere im Jahr 2009 beim damaligen Zweitligisten SV Wehen Wiesbaden.

Nach dem Ende der Ära in Freiburg wäre die Geschichte von Finke und den georgischen Spielern beinahe weitergegangen. Finke führte 2008 Verhandlungen zur Übernahme des Trainerpostens der georgischen Nationalmannschaft. Am Ende entschied sich der Verband jedoch für einen anderen Coach. Und Finke erfüllte sich seinen Traum, eine Nationalmannschaft als Trainer zur WM zu führen, als er 2014 das Team Kameruns bei der WM in Brasilien ­betreute.

Nicht nur in Freiburg, sondern auch außerhalb Deutschlands hinterließ die Zeit der Breisgau-Georgier ihre Spuren. In Tiflis kann man das »Döner-Haus Freiburg« besuchen, das stilecht mit SC-Schals ausgestattet ist. Der Betreiber ist seit der damaligen Zeit großer Fan des Freiburger Teams.

Das Legendenspiel gegen die ­Bayern gewann Freiburg übrigens mit 3:1. »Iaschi« schoss zwei Tore.