Das Problem heißt Klasse, die Herkunft entscheidet über den Lernerfolg

Verlierer im System

Ob und wie sich der Lehrermangel in deutschen Schulen auf die Lernerfolge von Schülern auswirkt, ist bislang ­ungeklärt. Noch immer ist es vor allem die Herkunft, die über eine erfolgreiche Schulkarriere entscheidet.
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In Deutschland fehlt es an ausgebildeten Lehrern. Das ist ein Problem. Denn wenn nicht genug Lehrer da sind, um die Kinder zu ­unterrichten, fällt der Unterricht entweder aus oder es unterrichten Leute, die dafür weniger gut vorbereitet sind. Möglicherweise unterrichten sie schlechter als die, die ein reguläres Lehramtsstudium absolviert haben. Ganz sicher haben sie aber weniger Berufser­fahrung. In Berlin haben weniger als 40 Prozent der neu eingestellten Lehrerinnen und Lehrer in diesem Schuljahr eine reguläre Lehrerausbildung. Der Anteil bei Grundschullehrern ist noch deutlich höher.

Als Folgen des Mangels befürchtet man zumeist große Klassen und eine sinkende Qualität der Lehre. Die Klassenstärke an sich hat aber keinen nachweislichen Einfluss auf das Lernen. Kinder lernen in großen wie in kleinen Gruppen.

Die OECD-Studie bestätigt, dass zwischen den schulischen Leistungen von Kindern mit deutschen Eltern und Migrantenkindern noch immer eine Lücke klafft, die weitaus größer ist als in vergleichbaren Ländern.

Ausschlaggebend für den Lern­erfolg sind die pädagogischen Konzepte. Und daran hapert es in Deutschland, wie sich spätestens mit dem »Pisa-Schock« 2001 herausstellte. Eine im März diesen Jahres veröffentliche Studie der ­Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fordert daher eine praxisnähere Lehrerausbildung: weniger Seminare an der Universität, mehr Einsätze im Schulunterricht.

Auch die finanzielle Ausstattung der Schulen ist nicht entscheidend. Der OECD-Studie zufolge ist die Stimmung an der Schule wichtiger, zu einem »guten Lernklima« trage »vor allem eine niedrige Lehrerfluktuation bei«. Doch häufig führen die unterschied­lichen Arbeitsbedingungen, Löhne und Verträge zu einer Entsolidarisierung des Kollegiums. Streiken dürfen ohnehin nur die nicht verbeamteten Lehrer. Auch die GEW legt ihre Prioritäten nicht auf die Bekämpfung dieser Zustände.

Vielmehr fordert die Gewerkschaft eine bessere Lehramtsausbildung und vor allem die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte. Die Lohnunterschide im Kollegium wachsen indes weiter. Auch Befristungen sind bei den meisten neuen Verträgen die Norm.

Maßgeblich für den Bildungserfolg ist in Deutschland noch immer vor allem eines: die Herkunft. Die OECD-Studie bestätigt, dass zwischen den schulischen Leistungen von Kindern mit deutschen Eltern und Migrantenkindern noch immer eine Lücke klafft, die weitaus größer ist als in vergleichbaren Ländern: »In Deutschland liegt der Anteil der Schüler mit sehr schwachen Leistungen unter den im Ausland geborenen Schülern bei 43 Prozent und ist damit fast zweieinhalb Mal so hoch wie bei der Gruppe der Schüler ohne ausländische Wurzeln.«

Trotz einer Verbesserung liegt Deutschland in Bezug auf Chancengleichheit immer noch unter dem OECD-Durchschnitt. Noch immer hängt der Bildungserfolg der Kinder stark vom Bildungsstand der Eltern ab. Im Jahr 2014 hatten 52 Prozent der Personen zwischen 25 und 34 Jahren denselben Bildungsabschluss wie ihre Eltern. Einer neuen Studie des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge ist auch der Sprung ins Gymnasium keine Garantie für einen erfolgreichen Abschluss. Denn Kinder aus ­einem bildungsfernen Elternhaus, die das Gymnasium besuchen, fallen über die Zeit leistungsmäßig oft zurück. Dieses bildungs­politische Problem lässt sich nur zu einem kleinen Teil auf den Lehrkräftemangel zurückführen.