Schlägertrupps haben an der Autnomen Universität von Mexiko-Stadt eine lange Tradition

Knüppeln auf dem Campus

An der Nationalen Autonomen Universität Mexikos (UNAM) sind Schlägertrupps auf protestierende Schülerinnen und Schüler los­gegangen. In der Geschichte der international renommierten Hochschule ist dies kein Einzelfall.

Auf mexikanischen Nachrichtenkanälen waren am 5. September Bilder von vermummten Studierenden zu sehen, die die Insurgentes Sur blockierten, eine der wichtigsten Verkehrsadern in Mexiko-Stadt. Rund 30 000 Menschen waren unter dem Motto »UNAM sin miedo« (UNAM ohne Angst) auf die Straße gegangen. Zwei Tage zuvor hatten bewaffnete Schlägertrupps protestierende Schülerinnen und Schüler einer der Nationalen Autonomen Universität Mexikos (UNAM) angegliederten Oberschule direkt vor dem Rektorat mit Steinen, Stangen und Molotowcocktails angegriffen; mehrere Angegriffene wurden dabei verletzt, zwei von ihnen lebensgefährlich. Der Protest hatte sich unter anderem gegen den Lehrkräftemangel gerichtet.

Über die sozialen Medien konnten die einzelnen Angreifer schnell als Angehörige von gemeinhin als porros bekannten Gruppierungen identifiziert werden. Diese geben sich gemäß ihrer Entstehung als Fußballfanclubs aus. Tatsächlich stehen handfeste politische Interessen hinter den porros. Die ersten dieser Schlägergruppen entstanden in den dreißiger Jahren, sie sollten dazu beitragen, die UNAM unter Kontrolle zu halten, nachdem die Univer­sität 1929 Autonomie von der Regierung erlangt hatte. Nach den studentischen Protesten 1968 wurden solche Schlägertrupps in allen Hochschulen Mexikos gebildet und von akademischen und politischen Autoritäten geduldet. Auch im kommunalen Wahlkampf werden sie gegen soziale Proteste eingesetzt.

An der UNAM sollen einer universitätseigenen Studie zufolge 52 porros existieren. Eine Initiative von Studierenden, diese Gruppen verbieten zu lassen, scheiterte 2016 an deren Einfluss innerhalb der Universität. Lediglich linksradikale Gruppen haben sich den porros in den vergangenen drei Jahrzehnten aktiv entgegengestellt, vor allem seit dem Studierendenstreik von 1999/2000 gegen neoliberale Bildungsreformen, bei dem die UNAM neun Monate lang besetzt werden konnte. Damals trugen die Schlägertrupps dazu bei, dass die Verhandlungen zwischen Streikenden und Universitätsleitung schließlich abgebrochen wurden, und verursachten Sachschäden in Millionenhöhe.

»Viele Angehörige der Schlägertrupps sind nur formell eingeschrieben, stehen auf Gehaltslisten der Universitäts­verwaltung. « José Pacheco, ehemaliger Student der UNAM

»Die porros geben sich als Autonome aus, rufen linke Kampfparolen, um die Bewegung zu spalten und zu diskreditieren«, erinnert sich José Pacheco, der ein Jahr lang im »Che Guevara« lebte. Das eigentlich nach dem Universitätsneubegründer Justo Sierra benannte Auditorium der Philosophischen und Literaturwissenschaftlichen Fakultät ist bis heute besetzt und von einem Kollektiv bewohnt. »Viele Angehörige der Schlägertrupps sind nur formell eingeschrieben, stehen auf Gehaltslisten der Universitätsverwaltung und bekommen automatisch ihre Noten. Im Austausch für ihre Dienste erhalten sie die Erlaubnis, den Universitäts­campus für illegale Aktivitäten wie Raub, Erpressung und Drogenhandel zu nutzen. Der Campus ist ein begehrter Absatzmarkt«, so Pacheco. Damit bestätigt er die Beobachtungen vieler Studierender und Journalisten, die sich mit dem Phänomen der porros beschäftigen.

Fast 350 000 Studierende, 40 000 akademische und 30 000 weitere Angestellte bevölkern die UNAM tagsüber, das entspricht der Bevölkerung einer mittelgroßen Stadt. Rechtlich gesehen ist sie ein eigenes Hoheitsgebiet im Süden der mexikanischen Hauptstadt.

1929 wurde der schon seit 1551 unter spanischer Kolonialherrschaft existierenden Universität nach jahrelangen Auseinandersetzungen und mehreren Streiks von Studierenden und Lehrenden Autonomie gewährt. So hat die Universität heute eine eigene Gerichtsbarkeit und staatliche Ordnungskräfte haben keinen Zutritt zum über sieben Quadratkilometer umfassenden Campus.

Das scheint der UNAM in den vergangenen Jahren zum Verhängnis geworden zu sein. Die national und international renommierte Universität, an der Persönlichkeiten wie Octavio Paz, Erich Fromm, Elena Poniatowska und Carlos Fuentes lehren und lehrten, ist immer wieder wegen Attacken und Schießereien in den Schlagzeilen. Vor einem Jahr wurde der investigative Journalist Humberto Padgett bei einer klandestinen Recherche über die Drogengeschäfte der porros zusammengeschlagen und mit dem Tod bedroht. Sogar einige nicht aufgeklärte Morde an Universitätsangestellten und Studierenden werden den universitätseigenen Schlägertrupps zugeschrieben.