Homestory

Homestory #42

Hätte die Jungle World doch um ein Haar einen paraphrasierten Hitler abgedruckt! In der Tragweite war das der Redaktion zu der Zeit gar nicht klar. Es geht um denselben Text, von dem der Autor Michael Seemann behauptet, Alexander Gauland (AfD) habe ihn für seinen berüchtigten Gastkommentar über den »Egoismus der Globalisten« vom 6. Oktober in der FAZ plagiiert. Über den Gauland-Text sagen wiederum die Historiker Wolfgang Benz und Michael Wolffsohn, er übernehme Argumentation und Duktus einer Rede, die der Führer im November 1933 vor Berliner Arbeitern in Siemensstadt gehalten hat. Ein anonymer Twitter-User (User- Name «znuznu«) verriet der Öffentlichkeit lediglich, er habe sich aufgrund von Recherchen zur Rhetorik des Nationalsozialismus während seines Studiums an genau diese Hitler-Rede erinnert. Ganz zufällig. Ein Teil der Jungle-Redaktion vermutet einen inszenierten Skandal, ein anderer hält einen Zufall für möglich. Wer weiß das schon.

Aber, ach, Unsinn, von wegen um ein Haar abgedruckt. Vor zwei Jahren hatte Seemann eben diesen Text der Jungle World angeboten. Aus welcher trüben Suppe die rhetorische Figur von den b.sen globalistischen Eliten gegen die armen, ehrlich arbeitenden, einfachen Leute stammt, hat die zuständige Redakteurin auf den ersten Blick gesehen und den Text nach kurzer, aber gründlicher Abwegung – Seemann war für den Text von der Redaktion angefragtworden – folgerichtig abgelehnt. Eine Folgerichtigkeit, die offenbaricht in jeder Redaktionsstube selbstverst.ndlich ist. Seemannwiederum behauptete 2016 auf seinem Blog: "Ich schrieb einen Text, der Widerspruch erzeugen wollte, indem er eine kritische Perspektiveder Leser auf sich selbst erzwingt." Der Autor war sichtlich verärgert über das »Krawallblatt, das gerne kontroverse, die Linke herausfordernde Thesen in die Welt bläst«, aber seinen Text abgelehnt hatte. Er stellte ihn zunächst auf seinen Blog, nebst Vorspann mit Zitaten aus der die Ablehnung bescheinigenden E-Mail der Jungle-Redaktion. Woraufhin der Berliner Tagesspiegel sich des Textes, von dem Seemann nun sagt, Gauland habe davon abgeschrieben, erbarmte und ihn abdruckte – wohl um der linken Gedankenpolizei in der Gneisenaustraße vorzuführen, wie freie Meinungsäußerung funktioniert.

Und nun hat es mutmaßlich auch die FAZ getan, die sich wohl nichts dabei dachte, eben mal den neuen Gauland abzudrucken – beziehungsweise den Seemann oder beziehungsweise den Hitler. Ob der Anwalt der FAZ bald damit beschäftigt sein wird, festzustellen, ob und wenn ja von wem Gauland abgeschrieben hat? Die Redaktion der Jungle World ist gespannt.