Viele Salafisten ziehen sich in familiäre Strukturen zurück

Spielend indoktrinieren

In der salafistischen Szene gibt es einen Trend zum Rückzug in Familienverbände. Die Kinder sollen im islamistischen Sinn erzogen werden.

Bundesweit beobachten Sicherheitsbehörden eine Neuerung innerhalb salafistischer Verbände. Weite Teile ziehen sich in Kleingruppen und geschlossene familiäre Strukturen zurück. Ein Grund dafür sind die vielen Vereinsverbote in den vergangenen Jahren. Mit dieser Strategie wollen die Salafisten solche Repressionsmaßnahmen in Zukunft umgehen. Anstatt sich im Vereinsregister einzutragen, treten die Islamisten den Rückzug ins vermeintlich Private an. Die Indoktrination von Kindern und Jugendlichen in diesen weitgehend isolierten Familienzusammenhängen stellt ein wachsendes Problem dar, das die Behörden mit Sorge verfolgen. So berichtete der Leiter des Staatsschutzes der Frankfurter Polizei, Wolfgang Trusheim, von Einzelfällen, in denen Kinder Terroristen in Kampfmontur gemalt oder vom Leben als Jihadist fantasiert hätten. »Sie bekommen zu Hause eingetrichtert, dass sie andere Kinder nicht akzeptieren sollen, weil sie Ungläubige seien«, zitiert ihn die »Hessenschau«. Trusheim rechnet mit einer neuen Generation gewaltbereiter Salafisten, die bereits in jungen Jahren zum Hass auf Andersgläubige erzogen würden.

Dazu passt, dass in Köln Recherchen des WDR zufolge zur Indoktrination von Kindern salafistisches Spielzeug hergestellt und zum Kauf angeboten wird. Gesichtslose Puppen, die aussehen wie islamistische Kämpfer, und weibliche Figuren mit voller Verschleierung werden über soziale Netzwerke unter dem Namen »Jundullah« (Soldaten Gottes) vertrieben. Ziel sei, so die Herstellerin auf Facebook, »dass unsere kleinen Löwen und Löwinnen bereits beim Spielen die natürliche Schamhaftigkeit kennenlernen«. Solches Spielzeug erinnert den Islamwissenschaftler Elhakam Sukhni, Dozent an der Universität Köln, an den »Islamischen Staat«. In dessen Herrschaftsgebiet sollten Kinder ebenfalls mit speziellem Spielzeug die Geschlechterrollen erlernen und zu Kampfbereitschaft erzogen werden. Auf unterschiedlichen Internetportalen gibt es zudem ein breites Angebot an salafistischen E-Books und sogenannten Dawa-Clips, also Missionierungsvideos, auch für Kinder und Jugendliche. So bietet das Portal »Way to Allah« Bücher wie »Sunna für Kinder«, »Minilexikon für junge Muslime« und »Islam für Kinder« inklusive Malbuch an.

Puppen, die aussehen wie islamistische Kämpfer, und weibliche Figuren mit voller Verschleierung werden über soziale Netzwerke unter dem Namen »Jundullah« (Soldaten Gottes) vertrieben.
Reuters

Die darin vermittelten Inhalte wie den Kopftuchzwang für junge Mädchen kritisiert die Islamismusexpertin Sigrid Herrmann-Marschall im Gespräch mit der Jungle World. »In der fortgesetzten und ausweglosen Indoktrination von Kindern, wie sie bei Salafisten nicht selten erfolgt«, sieht sie »das psychische Kindeswohl gefährdet«. Der Islamwissenschaftler Kaan Orhon von der Beratungsstelle Hayat für islamistisch indoktrinierte Jugendliche und deren Angehörige, sieht in dieser Entwicklung »für alle, die sich mit dem Bereich Prävention und Deradikalisierung befassen, eine Herausforderung für die Zukunft«. Im Sommer geriet eine Kindertagesstätte in Mainz in die Schlagzeilen, weil die Verfassungstreue des Trägervereins in einem vom rheinland-pfälzischen Landtag angeforderten Zweitgutachten angezweifelt wurde.

Der 2009 eröffnete, erste muslimische Kindergarten in diesem Bundesland weist dem neuen Gutachter, dem Bayreuther Religionswissenschaftler Christoph Bochinger, zufolge »Bezüge zur Muslimbruderschaft und ihren Organisationseinheiten in Deutschland« auf. Darüber hinaus wurden »in geringerem Maße auch Bezüge zum Salafismus in seiner gewaltfreien Ausprägung festgestellt«. Nach der Veröffentlichung des Gutachtens, das eigentlich prüfen sollte, ob einige muslimische Verbände als Glaubensgemeinschaften anerkannt werden sollen, prüft nun das Landesjugendamt, ob der Trägerverein »die erforderliche Zuverlässigkeit für die Erlaubnis zum Betrieb einer Kindertagesstätte auch weiterhin mitbringt«. Nach Ansicht von Hermann-Marschall sorgen solche Projekte auch dafür, »dass Kinder aus diesem Umfeld kaum herauskommen können«. In Sachsen verbot das Oberverwaltungsgericht im vergangenen Jahr den Betrieb eines salafistischen Kindergartens in Leipzig. Der Prediger Hassan Dabbagh wollte mit einer von ihm geführten Gesellschaft einen Kindergarten an der al-Rahman-Moschee in der Leipziger Roscherstraße eröffnen.

In dem Urteil heißt es, Dabbagh habe Eltern empfohlen, ihre Kinder frühzeitig eng an die salafistische Moschee heranzuführen: »Ihre Kinder sollen zu Hause schlafen und sollten so viel wie möglich zu Hause bleiben, um sie vor den Einflüssen der schlechten Umwelt draußen zu beschützen.« Der Imam soll auch in Freitagspredigten vor der pluralistisch-demokratischen Gesellschaft gewarnt und in einem Gebet Schmähungen gegen Juden, »Feinde des Islams«, »Ungläubige« und »Ketzer« ausgesprochen haben. Auf Erfahrungen wie in Mainz und Leipzig reagieren die Salafisten offenbar mit einem Rückzug aus dem öffentlichen Raum. Das mindert ihren gesellschaftlichen Einfluss, entzieht sie im als privat deklarierten Raum aber auch jeglicher Beobachtung.