Das Medienunternehmen Redfish ist von russischer Finanzierung abhängig

Der Fisch stinkt von Moskau her

Seit der Festnahme eines angeblichen Fahrraddiebs in Berlin dürfte der Name »Redfish« vielen ein Begriff sein. Aber wer steckt hinter dem Team von Journalisten und Aktivisten?

Wer seine Journalisten für zehn bis 20 Minuten lange Videoclips nach Südamerika, in die USA und quer durch Europa schicken will, muss dafür erst einmal die finanziellen Mittel aufbringen. Das ist nicht einfach ohne Werbung oder Paywall auf der Website und ohne Fundraising, schon gar nicht für ein junges Unternehmen. Die Redfish GmbH wurde erst im Januar 2018 ins Handelsregister eingetragen. Auch der Sitz des Unternehmens in teurer Berliner Lage zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz spricht dafür, dass die englischsprachige Medienplattform über ein gutes finanzielles Polster ­verfügt.

Das dahinterstehende Unternehmen Ruptly hat dieselbe Adresse: Lenné­straße 1. Die Nachrichtenagentur gehört zu RT, ehemals Russia Today. Diese ­Firma wiederum ist Teil des staatlichen russischen Medienunternehmens Rossija Sewodnja, das Präsident Wladimir Putin per Dekret gegründet hat. 2014 bescheinigte das Bundespresseamt RT einen »einseitig tendenziösen, propagandistischen Charakter der Berichte und Kommentare«.
Die Verantwortlichen von Redfish haben sich keine große Mühe gegeben, das Abhängigkeitsverhältnis zu ver­bergen, offengelegt haben sie es aber auch nicht. Dies tat vielmehr das ­US-amerikanische Online-Magazin The Daily Beast im Januar. Redfish räumte die nicht zu leugnenden Fakten ein, aber das alles, so versichert die Chefredakteurin Lizzie Phelan in einem Blogeintrag, habe keinen Einfluss auf die ­Berichterstattung. Zudem sei der Artikel in The Daily Beast »voller Fehlinforma­tionen« und überhaupt steckten andere Medien voller Lügen. Redfish dagegen habe eine Mission. Es gehe darum, dem Publikum »Ideen und Inspiration zu geben, wie es die Schrecken und Tragödien ändern kann«, die ihm das Unternehmen zeige. Ja, es komme Geld von Ruptly und auch einige der Journalisten und Mitarbeiter hätten vorher für RT gearbeitet, aber man sei redaktionell unabhängig. Darum hielt man es wohl auch für legitim, die Verbindungen zu Ruptly und dem russischen Staat nicht gegenüber Interveiwparnern zu erwähnen, wie kürzlich in einem Beitrag auf T-Online zu lesen war. Im ­Impressum ist die Verbindung nur anhand der gemeinsamen Adresse nachvollziehbar.

Unabhängig, aber nicht neutral, so sieht sich Redfish selbst. Man berichte über »Kämpfe, die das ausbeuterische globale System herausfordern, das die Menschheit verklavt und unseren ­Planeten zerstört«. Das Unternehmen bearbeitet klassische linke Themen wie Armut in den USA und Großbritannien oder das deutsche koloniale Erbe in Namibia. Aber auch der Umgang ­Japans mit Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg und die maoistische »Neue Volksarmee« auf den Philippinen werden thematisiert.

Der Geldgeber RT findet dagegen eher bei einem rechten Publikum Anklang. Das sagen sowohl die AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber als auch die ehemalige RT-Mitarbeiterin Lea Frings und das Recherchenetzwerk Correctiv. »Hauptsache, die Interviewten sind Merkel- und europakritisch«, heißt es in einem Beitrag des Netzwerks zu RT. Während RT inzwischen in weiten Teilen der linken Szene den Ruf hat, AfD-freundlich zu sein, ist Redfish nicht vorbelastet. Dabei bedient sich Redfish ähnlicher Techniken wie RT. Auslassungen, subjektive Betrachtungsweisen, Suggestion, etwas Alarmismus und manchmal ein Schuss Verschwörungstheorie prägen viele Beiträge.
Ein Beispiel ist ein Bericht aus Venezuela, in dem nicht die Misswirtschaft des Präsidenten Nicolás Maduro als Grund für die horrende Inflation ­genannt wird. Vielmehr soll es an Benzinschmugglern und Geldwechslern mit schlechten Kursen liegen, dass das Land am Rande des wirtschaftlichen Kollapses steht. Verzweifelte Venezuelaner, die an der Grenze zu Kolumbien für Nahrung Schlange stehen, konnte das Redfish-Team auch nicht finden. Dass solche Meldungen aber in den »Mainstream-Medien« zu lesen waren, könne auf einen angestrebten Regimewechsel hindeuten, wird in dem Beitrag suggeriert. Dazu werden Bilder von ­US-Präsident Donald Trump gezeigt, der eine »militärische Option« in der Venezuela-Politik Ende 2017 erwähnt hatte.

In einer anderen Kurzdokumentation mit dem Titel »Israel’s affair with Hungary’s far-right« geht Rania Khalek der Frage nach, was die Juden in ­Ungarn von den Kontakten des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu zu Viktor Orbán und der ungarischen Regierung halten. Der ­Ministerpräsident Ungarns war immer wieder durch die Verbreitung antisemtischer Verschwörungstheorien aufgefallen, die dem jüdischen Milliardär George Soros unterstellen, Ungarn und Europa der »nationalen Identität« berauben zu wollen. Obwohl Soros ­»Regimewechsel, Destabilisierung und Schlimmeres vorgeworfen wird«, so der Beitrag, sei der Vorwurf der ungarischen Regierung nicht wahr. Wenn ­Orbán auf der einen Seite antisemitische Verschwörungstheorien verbreite, wie könne er dann auf der anderen Seite gute Beziehungen zu Netanyahu unterhalten? Die Antwort von Redfish: aufgrund der Ablehnung des Islam und weil Orbáns Fidesz wie Netanyahus Likud »demographische Reinheit« in ihren ­jeweiligen Staaten wünschten. Dafür machten Zionisten auch gemeinsame Sache mit der europäischen Rechten, so wie es schon der Begründer des politischen Zionismus, Theodor Herzl, getan habe. Der ­ungarische Grenzzaun zur Flüchtlingsabwehr wiederum sei »inspiriert von Israels berüchtigter Trennmauer«, heißt es in dem ­Bericht auf Redfish. Dass ­Netanyahu auch in Israel für seine ­guten Beziehungen zu Orbán sowie das Schweigen über den Antisemitismus in Ungarn scharf kritisiert wird und seine Regierung keine Pläne für »ethnische Säuberungen« hat, findet keine ­Erwähnung. Ob gezielt oder nicht – Khalek, die schon für Vice, The Electronic Intifada und RT gearbeitet hat, knüpft an den Mythos vom gewissenlosen ­Zionisten an, der auch mit Judenhassern zusammenarbeitet, wenn es seinen ­Interessen dienlich ist.

Die russische Propaganda biete jedem, was er haben möchte, schrieb Peter ­Pomerantsev, der selbst für einen russischen Fernsehsender arbeitete, ­bereits 2014 in seinem Buch »Nothing Is True and Everything Is Possible«: »Rechte europäische Nationalisten werden mit einer Anti-EU-Botschaft verführt, die radikale Linke wird mit der Erzählung vom Kampf gegen die US-Hegemonie kooptiert«; so ent­stehe eine »kumulative Echokammer« zur Unterstützung der russischen ­Politik. Im US-Wahlkampf 2016 versuchten russische Troll-Accounts in sozialen Netzwerken, den Konflikt zwischen Rechten und Bürgerrechtlern mit ­jeweils auf sie zugeschnittener Propaganda zu eskalieren. Der Verdacht ­besteht, dass RT und Redfish die politischen Milieus in anderen westlichen Gesellschaften in vergleichbarer Weise polarisieren sollen.

Wie genau sehen die Beziehungen von Redfish zu RT aus? Soll Redfish das Publikum bedienen, dem RT zu wenig »alternativ«, zu rechts ist? Wird es Beiträge über Missstände in Russland bei Redfish geben? Zum Beispiel über die Verfolgung Homosexueller, da man sich doch nach eigenen Angaben für »Gleichheit für alle – unabhängig von Geschlecht, Sexualität« einsetzt?

Die Redaktion von Redfish war nicht bereit, diese Fragen der Jungle World zu beantworten. Es gehe nicht darum, dass man generell nicht mit anderen Medien sprechen wolle, hieß es. Der Grund für die Absage sei »die Haltung der Jungle World zur palästinensischen Sache und ihre Rolle bei Angriffen auf Solidaritätsbekundungen mit den ­Palästinensern«.