Der Westen als Feindbild in der Kunst

»Radikal und einfach zugleich«

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Die Berliner Künstler Fabian Bechtle und Leon Kahane haben nun eine Initiative gegründet. Mit dem »Forum demokratische Kultur und zeitgenössische Kunst« wollen sie über die politischen Gefahren durch kulturpessimistisches Denken für die Kunst aufklären und auch erarbeiten, wie bestimmte Anliegen künstlerisch thematisiert werden können. Eine erste Tagung findet Ende November in Berlin statt.

Seit Jahren schon beobachten die beiden Künstler die Ablehnung der Moderne innerhalb der Kunst. Die Notwendigkeit für eine Organisierung aber sei ihnen explizit aufgrund der Politik und des Kulturverständnisses der AfD wichtig erschienen, die, wie sie der Jungle World sagten, »eine Mischung aus identitärer Hochkultur und politischer Unkorrektheit« darstelle, die sich auch am »Weltbild einer international vernetzten Identitären Bewegung« orientiere. Zwar haben linke Künstler und Neue Rechte politisch nicht viel gemein, es eint sie aber laut Bechtle und Kahane das Heilsversprechen, das sie in der Ursprünglichkeit zu erkennen meinen.

Diese Ursprünglichkeit gilt ihnen als Gegenpol zur globalisierten Welt, eben entweder als das Reine, Archaische und Natürliche, wie es von nicht wenigen Künstlern angerufen wird, oder das Deutsche wie bei den Rechten. »Der Kulturpessimismus ist radikal und einfach zugleich. Er lehnt das Etablierte als Ursache allen Übels ab und fordert ein von allen Problemen erlöstes Neues«, resümieren die Künstler.

Das, was moderne Kunst auszeichnet – Kosmopolitismus, Abstraktion, Utopie – kann man als jüdische Prägung interpretieren. Diese aber wird mehr und mehr verdrängt, verträgt sie sich doch nicht mit den Phantasmen einer »natürlichen« Kultur, was sich gut daran illustrieren lässt, dass der Staat Israel von Antisemiten nur zu oft als »künstliches Gebilde« bezeichnet wird. Nicht nur ikonographisch tarnen sich antisemitisch konnotierte Weltbilder häufig als kulturpessimistische (worüber die Initiative am 25. November eine Tagung veranstaltet), auch ganz handfester Antisemitismus setzt sich in der Kunst durch, der sich aber selber als politischer Aktivismus an der Seite der Schwächeren sieht: die BDS-Bewegung mit ihrer Forderung nach kulturellem Boykott Israels erlebt regen Zuspruch von Künstlern. »Kultureller Boykott funktioniert emotional anders als ein wirtschaftlicher«, sagen Bechtle und Kahane, »weil man sofort merkt wenn eine Künstlerin oder ein Künstler den Auftritt absagt. Man kann durch Bilder, durch Slogans, durch Verkürzungen und einfache Aufteilung in Gut und Böse schnell viele Menschen erreichen. Es hat eine Art Signalwirkung: ›Ich bin politisch und ich packe die ganz heißen Eisen an.‹ Boykott klingt dann irgendwie vertretbar und nicht so superscharf.« Vor großen Institutionen macht das auch nicht mehr Halt. Im vergangenen Jahr zeigte die Künstlerin Jumana Manna ihren Film »A Magical Substance Flows into Me« im Hamburger Bahnhof in Berlin, der aus Aufnahmen von Menschen aus Israel besteht, die traditionelle und volkstümliche Musik auf ihren Instrumenten spielen. Warum das Ganze? Im Ausstellungstext war zu lesen: »Mit Humor durchzogen, zielt Mannas Arbeit darauf ab, die Verwobenheit dieser Identitäten sichtbar zu machen, die sich den Auslöschungen und Vertreibungen durch das zionistische Projekt widersetzt.«

Wichtig sei es heute, so formulieren es Bechtle und Kahane, dass Künstler nicht versuchen, durch die Proklamierung oder Unterstützung scheinbar radikaler, in Wirklichkeit aber kulturpessimistischer und antiwestlicher Projekte ihre eigene Liberalität unter Beweis zu stellen, sondern sich zu fragen, ob sich das, was sie unterstützen, mit einem universalistischen Weltbild verträgt.

Pessimismus resultiert in der Regel aus einer Krisenerfahrung, die unkritisch verarbeitet wurde. Statt »billiger Vertrauensseligkeit« oder »verabsolutierten Pessimismus« schlug Ernst Bloch in »Das Prinzip Hoffnung« einen »militanten Optimismus« vor, der, wie er betonte, nicht wie die beiden anderen Haltungen der Reaktion dienen würde. Dieses Diktum, zugegebenermaßen selbst etwas militant vorgetragen, trägt aber etwas in sich, das Antrieb für sämtliches kritisches Denken ist und verschüttet scheint: die Hoffnung auf eine bessere Welt.

 

Antisemitismus als Kontinuität kulturpessimistischer Weltbilder. Tagung im Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k). 25. November, ab 13 Uhr