Martina Renner über die Umsturzpläne des rechten Netzwerks in der Bundeswehr

»Die Pläne waren sehr konkret«

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Interview Von

Geht gegenwärtig von diesem Netzwerk noch eine Gefahr aus?
Auf jeden Fall. Es heißt gelegentlich – und das behindert eine ehrliche Debatte über diese Form des Rechtsterrorismus –, das seien alles Leute, die doch nur reden und nicht handeln würden. Auch die Todeslisten seien nur Phantasien – rein theoretische Planspiele. Es bestehe keine reale Gefahr. Aber da­gegen spricht vieles. Beim NSU haben wir gesehen, dass die Gruppe Tau­sende Namen auf ihren Listen führte, vor Ort recherchiert und Ziele auf Stadtpläne markiert hat. Der NSU hat am Ende tatsächlich gemordet – auf Grundlage solcher Pläne.

Wir wissen nicht, wann diejenigen, die sich auf den Tag X vorbereitet ­haben, also den Zeitpunkt, an dem der rechte Umsturz stattfinden soll, den Punkt erreicht sähen, dass es so weit ist – welches äußere Ereignis also tat­sächlich dazu führen kann, dass diese Gruppe oder auch nur einzelne Mitglieder entscheiden, ihre Stunde sei gekommen. Wir reden in diesem Fall nicht von zehn Leuten, sondern möglicherweise von Hunderten oder mehr, die einer solchen Idee anhängen. Aber selbst wenn wir uns einen Einzelnen vorstellen, der jahrelang in dieser apokalyp­tischen Vorstellungswelt lebt und glaubt, alles liege jetzt bei ihm und er müsse allein zur Tat schreiten, wäre das potentiell tödlich. Wir sprechen von Leuten, die militärisch ausgebildet sind, zu Hause Schränke voller Waffen besitzen und sich genauestens über ihre Opfer informiert haben, durch alle modernen polizeilichen Methoden der Daten­erfassung. Sie halten sich für eine militärische Elite, die letzte Barriere zwischen Ordnung und Chaos, die im Ernstfall noch handeln kann. Es wird in diesem Zusammenhang oft von »einsamen Wölfen« gesprochen, wobei ich das für den falschen Begriff halte.

Weil diese Leute so einsam eigentlich nicht sind und ohne die Ermutigung durch ihr Umfeld sich nie zu so einer Tat entschließen würden?
Absolut. Sie haben jahrelang im Rahmen einer Organisation gedacht und gehandelt, aber sie können den Tatentschluss ganz individuell fassen, ohne dass irgendetwas von irgendwo angeordnet wird. Trotzdem würde ich sie letztlich als Bewegungstäter bezeichnen.

So etwa wie der Attentäter von Pittsburgh?
Der kam nicht aus der Armee, aber aus einer Szene, die genau in diesen apokalyptischen Kategorien denkt.

Solche Täter handeln im Sinne einer Idee, auch wenn kein zentraler Befehl ausging, dass nun alle Untergrundgruppen koordiniert losschlagen sollen. Es reicht, dass sie für sich zu dem Schluss kommen, der Tag der großen Abrechnung sei gekommen. Diese Gefahr ­halte ich für sehr real.