Martina Renner über die Umsturzpläne des rechten Netzwerks in der Bundeswehr

»Die Pläne waren sehr konkret«

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Interview Von

Wie sicher ist derzeit die deutsche Demokratie vor ihren Sicherheitskräften?
Ich habe mich in letzter Zeit viel mit neonazistischen Umtrieben in der Bundeswehr beschäftigt. Das Phänomen ist nicht neu. Die aktuelle Zahl der ­Verdachtsfälle war sehr hoch, etwa 400 waren es im Jahr 2017. Gerade auch im KSK war das nicht der erste Moment, bei dem man das Gefühl ­bekam, da agiert eine Einheit im Sinne der Division Brandenburg in der Wehrmacht – die sogenannten Brandenburger. Das war eine Elitetruppe, die sich während des Zweiten Weltkriegs auf einen paramilitärischen Untergrundkrieg nach einer militärischen Besetzung vorbereitet hat. Diese Idee wird in der Bundesrepublik seit vielen Jahrzehnten innerhalb der Armee und innerhalb der Polizei tradiert.

Wie muss man sich das vorstellen?
Es gab eine Phase, in der war das insti­tutionalisiert. Es gab die Schnez-Truppe Ende der vierziger Jahren, die später in der Bundeswehr aufging. Das war der Versuch des Aufbaus einer Geheim­armee innerhalb der Bundeswehr, natürlich auch mit Rückgriff auf Elite­soldaten der faschistischen Wehrmacht. Diese Geheimorganisation sollte bei ­einem Einmarsch der Sowjetunion sympathisierenden Kommunistinnen und Kommunisten nachstellen und sie umbringen. Eine krasse Parallele zur ­Gegenwart: Auch damals schon herrschte die Vorstellung, man müsse Waffen- und Treibstoffdepots einrichten, Feindeslisten erstellen und die nötigen Transportmittel requirieren – und sich eben auch auf einen Tag X vorbereiten, an dem diese Zielpersonen abgeholt werden. Auch damals spielte schon ein bestimmtes Fallschirmjägerbataillon eine zentrale Rolle, das in Calw in Baden-Württemberg stationiert war.

Also da, wo heute auch das KSK stationiert ist?
Exakt. Dieses Fallschirmjägerbataillon war auch der Ausgangspunkt für die Gründung des KSK. Das ist keine Verschwörungstheorie. Diese Idee pflanzt sich innerhalb der Armee fort. Sie speist sich aus Antikommunismus, der Vorstellung, man brauche eine Elitegeheimarmee, und dieser immer wiederkehrenden Fixierung auf einen Tag X. Diese Konstellation kehrt in unterschiedlicher Form immer wieder.
Wir hatten Vorfälle im KSK mit dem ehemaligen General Reinhard Günzel, der mit seinem Buch »Geheime Krieger« die Division Brandenburg geradezu verehrt. Dann gab es einzelne Angehörige, die bei Feiern den Hitlergruß gezeigt haben. Es gab im Jahr 2000 den Fall eines ehemaligen KSK-Soldaten, der einen Überfall auf die Bundeswehr verübt hat, um dort Waffen und Munition zu erbeuten.
Um die gegenwärtige Situation genau bewerten zu können, muss man natürlich auch die Ermittlungen abwarten. Aber es zeichnet sich bereits ab, dass der Einfluss dieser Netzwerke sehr viel größer ist als in den vergangenen Jahren. Möglicherweise tarnt sich innerhalb des Vereins ehemaliger Spezialkräfte, Uniter e. V., in Wirklichkeit die Dachorganisation dieser ganzen Gruppen Nord-, Süd-, Ost- und Westkreuz. Nicht alle 1 800 Mitglieder werden Teil dieser klandestinen Struktur sein. Aber das ist ein Reservoir, aus dem man diejenigen rekrutieren kann, die möglicherweise bereit sind, bei Umsturz- und Mordplänen mit loszuschlagen. Das heißt, es sind keine Einzelfälle und auch keine Verwirrten. Wir haben es aber tatsächlich mit Strukturen zu tun, die weder der MAD noch der Verfassungsschutz auf dem Schirm hatte – oder haben wollte. Das ist ja immer die große Frage. Entweder wussten sie nichts oder sie haben diese Strukturen mit Spitzeln durchsetzt und aus Gründen des Quellenschutzes oder der Informationsgewinnung versäumt, rechtzeitig die Strafverfolgungsbehörden davon in Kenntnis zu setzen, was dort vorging.