Klassenkampf - Die Streikanliegen der Schüler

Streiken fürs Nagelstudio

Kolumne Von

Letztens, im Oktober schon, gab es einen sogenannten Schulstreik in Berlin. Liebevoll gestaltete Plakate, die zu ihm aufriefen, waren in hoher Dichte im Umfeld unserer Schule plakatiert. Allerdings war es schwierig, den Aufruf zum Streik im Internet zu finden. Ich nehme an, dass die beteiligten Jugend­lichen zunächst ein bisschen vergessen haben, ihn zu schreiben. Letztlich aber fand ich ihn: Nicht nur gegen die Klassiker, also Leistungsdruck und Autorität und veraltete Lehrmethoden, sollte protestiert werden, sondern auch ­da­gegen, dass die Wohnungsbaugesellschaft Howoge die Sanierung und den Neubau von Berliner Schulen in großem Umfang übernehmen soll, was dem ­Senat den Vorwurf der heimlichen Privatisierung der Schulgebäude eingebracht hat.
Im bröckelnden Schulgebäude sitzend, beschloss ich, dass das eigentlich ein prima Unterrichtsthema sei, und naja, dann habe ich also zusammen mit der achten Klasse versucht, den Aufruf zu lesen. Um das Ergebnis hier nur kurz zusammenzufassen: Die Kinder in der 8c wissen mehrheitlich, was eine Demonstration, aber nicht, was ein Streik ist, sie fanden die Sätze im Aufruf zu lang und die Wörter zu schwierig, wobei Mehmet tatsächlich allen erklären konnte, dass »Kapitalismus« ein Wirtschaftssystem ist und mich auf die Nachfrage, woher er das wisse, anguckte, als sei ich ein bisschen beschränkt. Mehmets ungefähre Übersetzung der Forderungen des Aufrufs in Achtklässlersprache ergab, dass die 8c andere Themen wichtiger findet.

Leider war es der Klasse nicht möglich, sich auf zentrale Forderungen zu einigen, weswegen ich dieses Forum nutzen möchte, alle ihre Forderungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die 8c will: keine Schule mehr, freies Wifi und Unterricht mit ­digitalen Medien, keine Hausaufgaben, Unterricht von zehn bis zwei Uhr, die Einrichtung eines Internetcafés, einer Achterbahn, eines Einkaufszentrums mit Nagelstudio und Lidl sowie einer Wrestling-Arena auf dem Schulhof, Überwachungskameras überall und Schreckschusspistolen für alle, persönliche Security, niemals endende Pausen, in allen Klassenräumen eine PS4, zwei Ganzkörperspiegel, einen Schokoladenbrunnen und Massagestühle, hitzefrei, mehr Ausflüge und Sportturniere (gerne mit anderen Schulen), größere Musikräume, saubere Toiletten und Klassenzimmer, die ­Abschaffung von Büchern, einen Schulbus, jüngere und nettere Lehrerinnen und Lehrer, die weniger scheiße aussehen, internationale Küche, geschlechtergetrennten Sportunterricht, jeden Morgen »Gudiebags«, coffee to go ­umsonst, einen Getränkeautomaten, mehr am Alltagsleben orientierten Schulstoff, weniger Klassenarbeiten, keine unangekündigten Tests und mehr Burger (gerne mit Chili).

Die Stunde war dann zu Ende, aber falls jemand anderes Lust hat, dazu ­einen Schulstreik zu organisieren, freut die 8c sich bestimmt sehr.