Die Regierung Guatemalas beendet das Mandat für UN-Ermittler gegen Korruption

Rausschmeißen statt aufklären

Seit 2007 ermittelt die UN-Kommission CICIG gegen Straflosigkeit und Korruption in Guatemala. Doch die Regierung von Jimmy Morales hat ihr Mandat nun vorzeitig beendet.

Das Ende kam früher als gedacht. Die Regierung beende das Mandat der Internationalen Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala (CICIG) bereits jetzt, nicht erst im September, teikte die guatemaltekische Außenministerin Sandra Jovel am Montag mit. Innerhalb von 24 Stunden müsse das Abkommen zwischen den Vereinten Nationen und Guatemala aufgekündigt werden und die restlichen Mitarbeiter der CICIG müssten das Land verlassen. Die Kommission habe ihre Befugnisse überschritten und zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen, so Jovel.

Am Wochenende war der CICIG-Ermittler Yilen Osorio am Flughafen La Aurora in Guatemala-Stadt festgehalten und an der Einreise gehindert worden. Im Dezember hatten die guatemaltekischen Behörden bereits elf Ermittler der CICIG ausgewiesen. Ihre Visa waren nicht verlängert worden.

Am Montag folgte nun der letzte Akt in dem beispiellosen Konflikt zwischen der Regierung und den Vereinten Nationen um die Arbeit der CICIG. Diese hatte 2007 auf Wunsch der guatemaltekischen Regierung ihre Arbeit aufgenommen, um das Justizsystem des Landes zu stärken und Straflosigkeit zu bekämpfen. Das Experiment sollte, so die Hoffnung der UN-Verantwortlichen, ein Modell für die Region, aber auch für andere Kontinente liefern. Die CICIG sei auch erfolgreich gewesen, so der guatemaltekische Menschenrechtsanwalt Edgar Pérez Archila: »Grundsätzlich haben wir in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen Fortschritte gemacht. Die Justiz ist effektiver geworden, aber es gibt in Guatemala Kreise, die an der Stärkung der Justiz kein Interesse haben.«
Jene Kreise sind in den vergangenen Monaten nicht nur in Guatemala gegen die UN-Kommission vorgegangen – auch in den USA sorgten sie mit einer millionenschweren Kampagne dafür, dass die Unterstützung für die CICIG schwand. Dahinter steckt, wie das investigative Online-Magazin Nómada aufgedeckt hat, eine Allianz von korrupten Unternehmern, Politikern und Militärangehörigen, die ­allesamt zu befürchten haben, dass die CICIG gegen sie ermittelt. »Die ­CICIG hat uns erst das Ausmaß der Korruption vor Augen geführt. Das hatten wir in Guatemala nie so wahrgenommen wie heute. Die CICIG ist bis an die Wurzeln vorgedrungen«, so Pérez Archila.

Das nahmen ihr die traditionelle Führungsschicht und hohe Militärangehörige, die vom Präsidenten Jimmy Morales in erster Linie vertreten werden, übel. Die UN-Ermittler haben die klientelistischen Strukturen angetastet und sich nicht gescheut, auch gegen die zu ermitteln, die ganz oben stehen – gegen den Präsidenten persönlich und seine Familie. Das ist in vielen Staaten Lateinamerikas ein Tabu. Doch die CICIG tat dies in Guatemala gleich mehrfach: zum ersten Mal 2015, als der damalige Präsident Otto Pérez Molina angesichts einer Flut von Beweisen für Korruption im Amt zurücktreten musste. 2016 legte die CICIG Be­weise vor, dass der Bruder und der Sohn von Jimmy Morales Steuern hinterzogen hatten. 2017 legte sie Ermittlungsergebnisse vor, wonach Morales persönlich illegale Wahlkampfspenden für seine Partei, die Front zur nationalen Konvergenz (FNC), angenommen hatte – daraufhin ging der Präsident in die Offensive.

Seither versucht Morales, die Ermittler loszuwerden. Er ist ein evangelikaler Prediger und hat über evangelikale Kirchen Verbündete in den USA. Kurz nach der Entscheidung der US-Regierung, ihre Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, reiste auch Morales nach Israel und ließ den Botschaftssitz ebenfalls verlegen. Mit dieser Entscheidung ist er dem erzkonservativen Flügel im Außenministerium der USA entgegengekommen. Vergangenes Jahr hatte es Kritik gegeben, nachdem am 31. August von der US-Regierung gespendete Jeeps zur Einschüchterung der UN-Ermittler und anderer Menschenrechtler in Guatemala eingesetzt worden waren. An jenem Tag, an dem Morales ankündigte, das Mandat der CICIG nicht zu verlängern und sie nur noch bis September 2019 zu dulden, fuhren mit Maschinengewehren bestückte Jeeps durch Guatemala-Stadt und hielten ­demonstrativ vor dem Gebäude der CICIG und den Häusern bekannter Menschenrechtler. Trotz des missbräuchlichen Einsatzes der US-amerikanischen Jeeps durch guatemaltekische Behörden lieferten die USA am 11. Oktober 38 weitere Jeeps an Guatemala, um Operationen des Landes gegen den Drogenhandel zu unterstützen. »Im US-Außenministerium gibt es zwei Gruppen: die einen, die den Einsatz von aus den USA gespendeten Militärjeeps vor der CICIG Ende August 2018 scharf verurteilten, und die anderen unter Außenminister Mike Pompeo, die sich eine Reform der CICIG durchaus vorstellen können«, sagt Claudia Samayoa, die Direktorin der Menschen­rechtsorganisa­tion Udefegua.

Auf die Nichtverlängerung des Mandats der CICIG durch Guatemalas Regierung Ende August reagierte die Gruppe der 13, in der die wichtigsten CICIG-Geberländer vereint sind, mit ­einer Erklärung, die diesen Schritt verurteilte. Die USA hatten nicht unterschrieben. Es war ein Signal, dass sie der Regierung Morales freie Hand ließen, weiter gegen die CICIG vorzugehen. Anfang September erteilte die Regierung von Guatemala-Stadt dem Leiter der CICIG, Iván Velásquez, ein Einreiseverbot. Das Verfassungsgericht entschied zwar dagegen, doch am 17. September setzte sich die Regierung über das Urteil hinweg und ordnete an, das Einreiseverbot für den Kolumbianer aufrechtzuerhalten.

Das komme einem Putsch gegen die Justiz gleichgekommen, sagt Pérez Archila. Die Ausweisung der elf Mitarbeiter im Dezember war der nächste Schritt. Das bestätigte der Pressesprecher der CICIG, Matías Ponce: »Mit der Nichtverlängerung der Visa haben sie uns an einem empfindlichen Punkt getroffen, alle diese ausländischen Ermittler haben eine Leitungsfunktion.«

Als wichtigster der elf Ermittler, die das Land kurz vor Weihnachten verließen, gilt Luis Fernando Orozco. Der Kolumbianer gilt als Hauptverantwortlicher der Ermittlungen im Korruptionsprozess »La Línea« gegen Pérez Molina. In einer Presseerklärung zur Ausweisung der elf Mitarbeiter äußerte die CICIG noch die Hoffnung, dass die Ermittler nur vorübergehend das Land verlassen müssen.

Diese Hoffung wurde am Montag enttäuscht. UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte die Entscheidung der guatemaltekischen Regierung entschieden. »Das Mandat der Kommission endet am 3. September 2019. Bis zu diesem Datum erwarten wir von der Regierung Guatemalas, dass sie ihren rechtlichen Pflichten im Rahmen des Abkommens vollständig nachkommt«, hieß es in einer Stellungnahme seines Büros.

Der Angriff auf die CICIG hat nicht nur Folgen für Guatemala, für das kritische Beobachter wie der Staatsanwalt Juan Francisco Sandoval die Rückkehr der Straflosigkeit befürchten, sondern auch für Nachbarländer wie El Salvador und Honduras. Auch dort wird der Rechtsstaat untergraben. Bestes Beispiel ist das Scheitern der Unterstützungskommission gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras (Misión de Apoyo contra la Corrupción y la Impunidad en Honduras, MACCIH) der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Sie war nach großen öffentlichen Protesten gegen Korruption 2015 in Tegucigalpa entstanden. Sie sei nicht nur an fehlender Finanzierung der Ermittlungen gescheitert, sondern auch am Verhalten der Abgeordneten, die sich gegen die Arbeit der Ermittler erfolgreich immunisiert hätten, sagt Joaquín A. Mejía. Dem Analysten des jesuitischen Forschungsinstitut ERIC zufolge ist die MACCIH am »Pakt der Straflosigkeit« gescheitert. Der politische Wille zur Demokratisierung und zur Stärkung der Justiz sei dort, aber auch in Guatemala, kaum vorhanden.