Linke sollten Guaidó unterstützen

Solidarität mit Venezuela

Während die Wirtschafts-, Versorgungs- und Menschen­rechtslage in Venezuela immer schlimmer wird, stecken viele westliche Linke noch in den Denkschablonen des Kalten Kriegs fest.
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Ob bei den Maidan-Protesten in der Ukraine, beim Kampf gegen das Assad-Regime in Syrien oder den anhaltenden Proteste in Venezu­ela – nie mangelt es an Linken, die die Protestierenden als »Faschisten« und »Rechtsextreme« verleumden. In der vergangenen Woche versuchte etwa die Tageszeitung Junge Welt, die Ereignisse in Venezuela als einen Putsch gegen Präsident Nicolás Maduros Regierung darzustellen. Dabei war es Maduro, der 2017 das demokratisch gewählte Parlament entmachten ließ.

Die staatliche Repression hat im Land des »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« extreme Ausmaße angenommen. Von mehr als 8 200 außergerichtlichen Hinrichtungen zwischen 2015 und Juni 2017 durch Angehörige der Ordnungskräfte berichtete Amnesty International bereits im September 2018. Etwa drei Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner sollen nach Schätzungen der Uno seit 2014 wegen der katastrophalen Wirtschafts- und Versorgungslage emigriert sein – die größte Flüchtlingskatastrophe Lateinamerikas in jüngster Vergangenheit.

Ein seit Jahren immer stärker diktatorisch regierendes Regime wird systematisch schöngeredet, die Verantwortung für seine Verbrechen und für sein politisches Totalversagen einzig dem ewig selben Erzfeind zugeschoben.

Doch im Scheuklappenblick eines linken Antiimperialismus sind Demonstrierende und Oppositionelle in Ländern wie Venezuela und Syrien stets nur willenlose Marionetten des US-Imperialismus. Der inzwischen von einigen Ländern als Übergangspräsident an­erkannte Juan Guaidó ist zwar ein Mitglied der Sozialistischen Internationale – aber wen stört das schon? Lieber bezeichnet man den Mitte-links-Politiker als »Putschistenführer« oder als Mitglied der »rechtsextremen Opposition« – weil die US-Regierung und Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ihn unterstützen, unappetitliche Leute und üble Rüpel, aber in der Not kann man sich seine Freunde nicht immer aussuchen. Stattdessen argumentiert die antiimperialistische Linke, wie vormals im Falle der Sowjetunion oder des sozialistischen Kuba, als gelte es, die Heimat der Werktätigen gegen ihre Feinde zu verteidigen. Ein seit Jahren immer stärker diktatorisch regierendes Regime wird systematisch schöngeredet, die Verantwortung für seine Verbrechen und für sein politisches Totalversagen einzig dem ewig selben Erzfeind zugeschoben. Weil der US-Präsident Trump und sein Sicherheitsberater John Bolton Maduro loswerden wollen, wird die katastrophale Situation in Venezuela geleugnet, entschuldigt oder einseitig auf Handlungen der Vereinigten Staaten zurück­geführt.

Wenn antiimperialistische Linke im Westen fordern, dass die Vereinigten Staaten sich nicht in die inneren Angelegenheiten Venezu­elas einmischen sollen, ist das schön und gut. Das fordern auch linke Sozialdemokraten wie der US-Senator Bernie Sanders – der aber ­zugleich auch Maduros Regime scharf kritisiert hat. Umgehend reagierte der Sanders-Unterstützer und politische Kommentator Jimmy Dore in seiner Youtube-Show, als habe Sanders mit der Kritik an Maduro Verrat am Sozialismus begangen. Aber was ist mit Venezo­lanerinnen und Venezolanern wie Luisa Ortega Díaz, die unter Maduros Vorgänger Hugo Chavéz ernannte

Generalstaatsanwältin, die 2017 abgesetzt wurde und inzwischen zur Opposition gehört? Oder mit dem gewählten Parlament? Sollten die sich nicht irgendwie auch in die inneren Angelegenheiten Venezuelas einzumischen dürfen? Darauf hat das einfach gestrickte Weltbild der Antiimperialisten keine guten Antworten.