Parlamentswahlen in Spanien

Sánchez sucht Verbündete

In Spanien haben die regierenden Sozialdemokraten bei den anstehenden Parlamentswahlen gute Chancen stärkste Partei zu werden. Das linke Bündnis Unidas Podemos und die rechtsextreme Partei Vox liegen beinahe gleichauf.

Zwei Stunden lang wurde die Präsentation am 6. April auf die gesamte Fläche einer Hausfassade des altehrwürdigen Rathausplatzes Plaza Mayor im Zentrum von Madrid projiziert: »Que no vuelvan« (Auf dass sie nicht zurückkehren) war die titelgebende Zeile, die sich auf allen durchlaufenden Bildern wiederholte. Sie zeigten Aufnahmen aus den sogenannten Bárcenas-Papieren: Namen verschiedener Politikerinnen und Politikern der konservativen Volkspartei (PP) und dahinter unterschiedliche Geldbeträge. Luis Bárcenas ist der ehemalige Schatzmeister des PP und seit Jahren eine der Schlüsselfiguren in etlichen anhängigen Korrup­tionsverfahren gegen Politiker und Unternehmer in Spanien.

Die Bilder zeigten unter anderem die Namen von Esperanza Aguirre, der ehemaligen Präsidentin der Autonomen Gemeinschaft Madrid und ehemaligen Vorsitzenden des PP Madrid, und von Mariano Rajoy (PP), dem ehemaligen Ministerpräsidenten, der nach Korruptionsvorwürfen und einem verlorenen Misstrauensvotum 2018 zurücktreten musste. Die Geldbeträge stellten eine inoffizielle Gehaltsliste dar.

Verantwortlich für die Straßenaktion, die nun ein juristisches Nachspiel hat, da sie mitten im Wahlkampf für die vorgezogenen Neuwahlen am 28. April stattfand, war die linke Bewegungspartei Podemos, die damit die heiße Phase der eigenen Wahlkampagne einläutete. In ihrer Kampagne wirft Podemos nicht nur dem PP Bestechlichkeit und Misswirtschaft vor, auch die regierende sozialdemokratische Partei PSOE wird dafür kritisiert, nicht in der Lage zu sein, die Korruption zu beenden. Podemos geriert sich damit wie zur Zeit ihrer größten Erfolge 2015/2016 als Protestpartei.

Dabei zugute kommt Podemos, die für die Parlamentswahl am 28. April zusammen mit der Ökologiepartei Equo und der Izquierda Unida (IU, Vereinigte Linke) unter dem Namen Unidas Podemos (zuvor Unidos Podemos, Vereint können wir) antritt, dass derzeit immer mehr Fakten über die sogenannte Kloake von Moncloa ans Licht kommen. Der Madrider Moncloa-Palast ist der offizielle Sitz des Ministerpräsidenten. Bei dem als Kloake bezeichneten Skandal geht es darum, dass der damals regierende PP 2015 die Strukturen einer klandestinen »Patriotischen Brigade«, einer Parallelstruktur im Polizeiapparat, genutzt hatte. Vieles spricht dafür, dass Mitglieder des damaligen PP-Kabinetts unter Rajoy persönlich eine Art Aufstandsbekämpfung orchestrierten und mittels einer Schmutzkampagne versuchten, den Aufstieg von Podemos zu verhindern. So sollen sie heimlich Ermittler wie den Polizeikommissar José Villarejo beauftragt haben, diskreditierendes Material gegen führende Köpfe von Podemos zu finden, um es unter anderem der rechten Regenbogenpresse zuzuspielen.

Obwohl Podemos derzeit einen intensiven Wahlkampf betreibt, sind die Umfragewerte bislang schlecht. 2016 hatte das Bündnis Unidos Podemos bei den Wahlen noch über 21 Prozent der Stimmen erreicht, derzeit liegt Unidas Podemos in Umfragen bei knapp über zwölf Prozent.

Für die Madrider Regionalwahlen Ende Mai hat sich Podemos mit der IU und den Anticapitalistas, die bereits zuvor die Union »Madrid en Pie« gebildet hatten, zu einer gemeinsamen Wahlliste zusammengefunden. Damit tritt dort nun neben dem PSOE und der Podemos-Abspaltung Más Madrid auch die neue Vereinigung Unidas Podemos Izquierda Unida Madrid en Pie an. Das erhöht die Chancen deutlich, den dort seit 1995 ununterbrochen regierenden PP abzulösen.

Die meisten Stimmen aus dem eher linken Lager scheinen aber an den PSOE zu gehen, der seinen Vorsprung leicht ausgebaut hat und in Umfragen derzeit mit rund 30 Prozent der Stimmen an erster Stelle liegt. Auf dem zweiten Platz folgt der PP mit weniger als 19 Prozent der Stimmen. Die rechtsextreme Partei Vox scheint vom anhaltenden Stimmenverlust des PP zu profitieren und könnte mit bis zu zu zwölf Prozent der Stimmen ein ähnliches Ergebnis wie bei den andalusischen Regionalwahlen im Dezember 2018 erzielen. Das würde die Pattsituation zwischen dem linken und rechten Block im Parlament voraussichtlich erhalten.
Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) hatte die vorgezogenen Wahlen anberaumt, weil der Haushaltsentwurf seiner Minderheitsregierung Mitte Februar im Abgeordnetenhaus gescheitert war. Die beiden katalanischen Parteien Republikanische Linke Kataloniens (ERC) und Katalanische Demokratische Europäische Partei (PDeCAT) hatten ihn nicht unterstützt, weil er weitere Zugeständnisse an die katalanischen Separatisten verweigerte. Im Wahlkampf hat Sánchez ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens eindeutig abgelehnt. Ohne die Unterstützung der katalanisch-separatistischen Parteien hätte er voraussichtlich die Wahl zwischen einer Neuauflage der Zusammenarbeit mit Podemos oder einer Koalition mit den rechtsliberalen Ciudadanos, die in Umfragen derzeit bei 16 Prozent der Stimmen liegen.

Podemos warnt vor einer Koalition zwischen PSOE und Ciudadanos, denn die Rechtsliberalen vertreten unter ­anderem in der Katalonien-Frage eine harte spanisch-nationalistische Linie, die eine Lösung des Konflikts in weite Ferne rücken ließe.