Verbot von Mentholzigaretten? Nö!

Das Recht auf Teufelszeug

Mentholzigaretten kann man mögen oder nicht. Ein Verbot bevormundet jedoch diejenigen, die selbst über ihren Lebensstil entscheiden wollen.

Gut, modisch waren die siebziger Jahre eine Katastrophe, aber ansonsten war nicht alles schlecht. Denn viele dieser bedauernswerten Menschen, die in ­rotgelbbraungestreiften Polyesterpullis herumliefen oder über dem beigen ­Nylon-Hemd mit blauen Rauten verzierte Pullunder trugen oder auch lila­weiße Minikleider mit grünorangenen Sternchen, waren erstaunlich entspannt. Jedenfalls, wenn es darum ging, sich nicht in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen, und ja, so pauschal kann man das natürlich nicht sagen, und nein, richtig, es gab den Radikalenerlass undundund und haltstopp, ­darum geht es jetzt aber nicht – sondern um Mentholzigaretten. Beziehungsweise ums Verbieten.

Es gab nämlich durchaus Zeiten, in denen Coolness bei Politikern und Parteien sich nicht unbedingt danach ­bemaß, wie entschlossen sie waren, anderen Leuten auf die Nerven zu gehen und ihnen Sachen zu verbieten. Echt wahr.

Es ist ja nicht so, dass jemand, der schon zum Frühstück gern dick mit Butter beschmierte Weißmehlbrötchen mit kleingehacktem Schweinehintern isst, nicht wüsste, dass das ungesund ist. Im Gegenteil: Er weiß es und tut es trotzdem, weil es ihm schmeckt und weil er für sich entschieden hat, lieber das Risiko einzugehen, mit 55 tot zu sein, als nach einem Leben voller Brokkoli mit 80 zu sterben. Das ist das, was die Verbieter und die Angstbesessenen nicht so gerne thematisieren: Tot sind irgendwann alle, und ist es wirklich so erstrebenswert, sehr alt zu werden und in einem drittklassigen Seniorenheim ein Viertelstündchen pro Tag gewaschen und gefüttert zu werden? Und ansonsten allein mit dem Unterhaltungsprogramm zu sein, das ­einen schon seit 20 Jahren nicht mehr interessiert, weil man weiß, dass es im Grunde kein Morgen gibt, auf das man sich freuen kann, sondern nur das Heute, also diesen Tag, an dem es einem noch ein Stückchen beschissener geht als gestern noch und nie mehr wird etwas besser werden?

Jedenfalls: Sie sind vorbei, die Zeiten, in denen »Lebe wild und gefährlich« etwas war, worunter selbst Grüne schon ein bisschen mehr Ausschweifung verstanden als bloß trotz drohendem ­Regenwetter ohne Schirm aus dem Haus zu gehen.

Dass Mentholzigaretten eine Einstiegsdroge seien, heißt es nun, was etwas irritierend ist, denn schon vor 20, 25 Jahren wussten selbst Jugendliche, dass da natürlich genau so viele schädliche Stoffe drin sind wie in normalen Zigaretten, aber man stinkt halt nicht so, was durchaus Vorteile hat. Aber nun muss das alles weg, weil niemand mehr selbst entscheiden soll, ob und was er raucht, sondern das nun eine Sache der Politik ist. Und Ruhe ist wahrscheinlich erst, wenn niemand mehr ungesunde Sachen isst und laute Musik hört und Tabak konsumiert und Auto fährt und Alkohol trinkt. Und die Leute dann bloß noch an Tofuwürstchen ersticken oder als Fußgänger von Fahrradfahrern umgenietet werden und leiderleider unglücklich auf den Hinterkopf fallen, schade, noch so jung und schon so tot, oder bedauerlicherweise Missgeschicke mit dem E-Roller passieren, aber immerhin haben sie nicht geraucht und schon gar nicht haben sie Menthol­zigaretten geraucht, dieses Teufelszeug in den pfefferminzfarbenen Packungen, das so dringend ausgerottet gehört, weil die Welt dann zu einem schöneren Ort wird. Weiß ja jeder, der erste Griff zur Mentholzigarette führt ­unweigerlich zu Heroin oder zu Alkopops, gut, die sind schon irgendwie verboten, aber man weiß ja nie, was auf den Schulhöfen so gehandelt wird. Die erste Mentholzigarette führt jedenfalls direkt in die Gosse und  zu viel zu lauter Musik und zu was noch allem. Klar.

Mit anderen Worten: Es ist völlig uninteressant, ob man selbst Menthol­zigaretten mag. Da draußen gibt es Menschen, die sie mögen, und denen hat man sie nicht wegzunehmen, weil es eine Menge dringenderer Probleme gibt, die zuallererst gelöst gehören, und dann, aber auch nur dann, kann vielleicht jemand ankommen und fragen, ob nicht vielleicht die Sache mit den Mentholzigaretten mal besprochen werden könnte, und in einer Welt, in der man gern leben möchte, sagen selbst dann alle »Nö« und tun weiter das, was ihnen Spaß macht.