Repression gegen Bergarbeiter

Nach dem Unfall kommen die Soldaten

Seite 2 – Für Glencore kommt das Unglück zur Unzeit
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Eine zentrale Person in diesem Geschäft war Dan Gertler, der seit 1997 enge Beziehungen zu den Kabilas und deren innerem Zirkel aufgebaut hatte. Für einige Zeit erhielt Gertler, der aus einer israelischen Diamantenhändlerdynastie stammt, sogar das Handelsmonopol für kongolesische Diamanten. Vor allem betätigte er sich jedoch als Vermittler für globale Großkonzerne wie den Weltmarkt­führer Glencore, die durch den weltweit steigenden Roh­stoffbedarf stark an einem reindustrialisierten Bergbau im Kongo interessiert waren. Dass die­se Reindustrialisierung, also Mechanisierung und Beschäftigung von wenigen, gut ausgebildeten Arbeitern und Ingenieuren, den unabhängigen Schürfern die Lebensgrundlage entziehen würde, kümmerte weder die Konzerne noch das Kabila-Regime.

In vielem ähnelt die erneute Landnahme der Konzessionsvergabe in der Kolonialzeit.

Letzteres verkauft die Bodenschätze häufig unter Preis – allein zwischen 2010 und 2012 seien dem kongolesischen Staat deswegen 1,3 Milliarden US-Dollar an Einnahmen entgangen, schätzte jüngst die US-Regierung. Vermutet wird, dass Regierungsmitglieder im Gegenzug für niedrige Verkaufspreise hohe Bestechungsgelder erhalten haben. In vielem ähnelt die erneute Landnahme dabei der Konzessionsvergabe in der Kolonialzeit, als schon einmal internationale Unternehmer eingeladen wurden, ganze Landstriche auszubeuten und praktisch als Souveräne auftraten, beispielsweise durch bewaffnete Werkschutzeinheiten.

Die Bevölkerung in den Minenstädten ist seither von Enteignung bedroht. Allerdings koexistieren privates Schürfen und industrieller Abbau häufig weiterhin, da die oft riesigen Abbaugebiete kaum oder nur mit hohen Kosten zu kontrollieren wären und weder Regierung noch Konzerne an sozialen Unruhen interessiert sind. Zudem verdient der Staat auch an der Arbeit der Schürfer – durch offizielle Gebühren, Zölle und alltägliche Korruption an Straßensperren und Grenzübergängen. Im Juni räumte die Armee allerdings eine Mine in Tenke-Fungurume, die von einem chinesischen Konzern ausgebeutet wird.

Das Grubenunglück kommt auch für Glencore zur Unzeit, da es Aufmerk­samkeit auf die Machenschaften des Konzerns im Kongo und anderswo lenkt. Seit Gertler 2017 von der US-Regierung wegen Geldwäsche und Korruption ökonomische Sanktionen auferlegt bekam, versucht die Firma ihre Verbindungen zu dem Milliardär zu lösen. Trotzdem überwies der Konzern auch danach Hunderte Millionen Euro an Gertler, um bestehende Abmachungen einzuhalten. Damit hat sich das Unternehmen nach US-Recht möglicherweise strafbar gemacht, dies könnte mit hohen Strafzahlungen geahndet werden. Bereits jetzt laufen in den USA diverse Ermittlungsverfahren wegen Korruption, Geldwäsche und Falschangaben an der Börse gegen den Konzern.

Glencore kann die Verbindungen zu Gertler nicht ohne weiteres lösen, da der Konzern dadurch möglicherweise die kongolesischen Bergbaukonzessionen verlieren würde. Zwar ist seit Januar Félix Thisekedi Präsident des Kongo, doch Gertlers Hauptgeschäftspartner Joseph Kabila hat weiterhin seine Vertrauten an den Schaltstellen der Macht. Zu denen gehört auch der berüchtigte Generalinspekteur der Armee, General John Numbi, der seit langem für die gröbsten Repressionsaufgaben des Regimes zuständig und ebenfalls international sanktioniert ist. Er kündigte an, die informellen Schürfer gewaltsam zu vertreiben: »Der Präsident hat mich angewiesen, dem Diebstahl von Mineralien in den konzessionierten Bergbau­gebieten ein Ende zu machen.« Ob dies der überlasteten, unterversorgten und verstreut stationierten Armee dauerhaft gelingen wird, ist fraglich. Die Gefahr militärischer Repression ­gegen Bergarbeiter als Reaktion auf ein Grubenunglück ist gleichwohl sehr groß.