Klima und Eigentum

Radikaler Realismus

Seite 3 – Realpolitik muss sich radikalisieren

Der zweite Bereich ist die Landwirtschaft. Wer sagt, dass Land Privat­eigentum sein muss? Es ist denkbar, dass das ­bebaubare Land Gemeinbesitz ist und von Bauern lebenslang gepachtet wird. Derzeit erlebt man in der EU in puncto Landaufkauf und -konzentration sozusagen eine neue Form des preußischen Junkertums der Vorkriegszeit. Ebenso wenig gehört Saatgut in Privatbesitz. Wenn es Alllgemeingut ist, wird man eher auf Ertragssicherheit und nicht auf Hochertrag züchten. Und wenn der Gewinndruck fällt, wird man wohl nebenbei auch eine größere Vielfalt züchten. Auch die sogenannten Nachbaugebühren, mit denen Bauern finanziell geknechtet werden, würden dann der Vergangenheit angehören.

Das dazu passende Leitbild wäre die Ernährungssouveränität. Der Begriff hat die internationale Landlosenbewegung »Via Campesina« geprägt. Er ­beschreibt das gemeinsame Aushandeln dessen, was in einer Gesellschaft produziert und verarbeitet wird, mit welchem Saatgut und wer dies wie macht. Zu einer anderen Landwirtschaft gehört auch die Reduzierung des Fleischkonsums. Was spricht eigentlich dagegen, dies gesellschaftlich aus­zuhandeln und via Bezugsscheinen zu organisieren? Die Alternative dazu ist, das Feld der »Weiter so«-Fraktion zu überlassen oder sich mit dem klein­karierten Dogmatismus von Veganern, Tierrechtlern und moralinsauren Ökos abzufinden. Denn »bio« ist eine andere Anbaumethode, aber kein an­deres Wirtschaftssystem.

Damit Linke sich an diesem Prozess beteiligen, müssten sie ihre Distanz zu den Kämpfen von Bauern und Bäuerinnen aufgeben. Hand aufs Herz: Wie viele Linke haben sich schon an den politischen Kämpfen des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter beteiligt? Dieser Verband versucht ­jenseits der Wachstumsfanatiker des Deutschen Bauernverbands und ­jenseits der »An Bio soll die Welt genesen«-Fanatiker, mehr Teilhabe für Bauern zu erreichen, zum Beispiel durch eine favorisierte Milchmengensteuerung, die bislang von der EU ­abgelehnt wird.

Der dritte Bereich betrifft Wohnungen. Es gibt zwar weder ein Recht auf Stadt noch ein Recht darauf, sich mit einem dicken Konto jede große Wohnung in der Stadt oder auf dem Land leisten zu können. Sehr wohl aber ein Recht auf Wohnen für alle, das gesellschaftlich auszuhandeln wäre. Da wird man manch einem mit 200 oder 300 Quadratmetern Wohnfläche für zwei oder drei Personen auf die Füße treten müssen. Und dass in der Ökometropole Freiburg über 160 Hektar Ackerfläche platt gemacht werden ­sollen, um dem immensen Wohnungsbedarf gerecht zu werden, entspricht genau dem Denken jener alten Ökoideologen, die viel im Symbolischen agieren, aber nichts systemisch verändern wollen.

Was es braucht, ist eine radikale Realpolitik. Egal wie man es dreht: Es wird Paradigmenwechsel und für einige im privaten und vor allem im Hamsterrad der Makroökonomie Einschnitte geben müssen. Sowohl von der Vorstellung »mein Haus«, »mein Land«, »mein Auto« wie auch von der Unantastbarkeit von Privateigentum wird man sich ­verabschieden müssen.