Der Streit ums Waschen

Ist Duschen konterrevolutionär?

Seite 4 – Stinken macht die Welt besser

Wer hätte schon ahnen können, dass gerade die Subkultur, die gerne mit Springerstiefeln, Irokesenhaarschnitt und aufgenähtem »No Future«-Patch auftrat, eigentlich nur ihrer Gesundheit dienten. Die Punks waren die wahren Trendsetter einer Bewegung, die sich heutzutage cleansing reduction nennt. Waschen, vor allem Wäschewaschen, nervt. Doch das auszusprechen, fällt vielen immer noch schwer, und so flüchten sie sich in falsche Versprechungen einer wachsenden Klimabewegung. Sie waschen weniger, betrachten das aber nicht als Faulheit, sondern als Beitrag zur Rettung der Welt.

Das Klima durch individuelle Kon­sum­­entscheidungen retten zu wollen, ist natürlich naiv. Ein Problem stellt die Mikroplastikbelastung aber trotzdem dar. Rund 60 Prozent unserer Kleidung enthält Polyester. Eine Fleece-Jacke verliert pro Wäsche eine Million kleinster Teilchen davon. Die wandern durch Kläranlagen und Flüsse ins Meer und von dort in unsere Nahrungskette. Kein Wunder also, dass bereits in vielen Nahrungsmitteln Mikroplastik nachgewiesen wurde.

Der Waschzwang hat aber noch andere gravierende Folgen. In vielen Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen wurde eine fast keimfreie Umgebung geschaffen. Doch Dreck härtet auch ab. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des bayerischen Umweltministeriums. Kinder, die in der Stadt aufwachsen, leiden der Studie zufolge 15-mal häufiger an Allergien als Kinder, die auf Bauernhöfen groß werden.

Ob Landluft tatsächlich angenehm oder gar gesund ist, klärt die bayerische Studie freilich nicht. Vor knapp zehn Jahren sorgte die New Yorker Konzeptkünstlerin Lisa Kirk mit ihrem Stinkparfüm »Revolution« für Furore. »Wenn man schon keine Revolution anstacheln kann, dann soll man sie wenigstens riechen können«, sagte sie.

Die Hoffnung der Punks, eine sich selbst als rein und glänzend verstehende Gesellschaft durch die Präsentation einer stinkenden Antithese zu überwinden, bleibt wohl unerfüllt. Denn der Kapitalismus eignet sich immer weitere Lebensbereiche an. Und unser Erscheinungsbild gehört dazu. Dennoch ist die Auflehnung gegen den Zwang zum reinen, wohlriechenden Auftreten auch eine Rebellion gegen die ständige Selbstoptimierung.