Der Streit ums Waschen

Ist Duschen konterrevolutionär?

Seifen schaden der Umwelt, Deos werden an Tieren getestet, Weichspüler bestehen aus Schlachtabfällen. Darauf verzichten und seltener waschen? Unsere Autoren sind sich uneinig.

Nö!

Kratzige Wäsche und und stinkende Mitmenschen sind eine Zumutung. Gut nur, dass es Mittel und Wege gibt, dies zu bekämpfen.

Von Elke Wittich

Der Mensch an sich neigt dazu, nicht sehr angenehm zu riechen, und das ist schlecht, wie man mit nur einem einzigen Aufenthalt in einem tagsüber verkehrenden Linienbus bei Außentemperaturen von um die 30 Grad ganz einfach feststellen kann.

Zum Glück ist der Mensch aber auch in der Lage, Wege aus dem Elend zu finden, und deswegen wurden Seife, Wasserleitungen, Duschen, Badewannen, Deodorants, Chanel No5, Rive Gauche, Waschmaschinen sowie angenehm duftende Waschmittel und Weichspüler erfunden.

Mit Letzterem soll nun aber Schluss sein, zumindest wenn es nach Stella McCartney geht, der Tochter des nervigsten Ehepaars der Popgeschichte, die zwar – man soll auch für Kleinigkeiten dankbar sein – immerhin nicht singt, aber dafür Mode schöpft, und in diesem Umfeld, sagte sie vor zwei Wochen dem Guardian, habe sie den Übertrick erfahren, der super für die Umwelt sei (also die hypothetische Umwelt, nicht die reale, die man riechen kann): Man brauche Kleider gar nicht waschen, es reiche, wenn man ­gelegentlich »den Schmutz herausklopfe«.

Ja sicher. Und vermutlich muss man sich selbst auch gar nicht waschen, es genügt, wenn man hin und wieder den gröbsten Dreck abbürstet.

Warum Menschen es für erstrebenswert halten, kleine, das Leben ungemein verbessernde Errungenschaften abzuschaffen oder verbieten zu wollen, ist eines der großen Rätsel der Zeit. Natürlich kann man darüber reden, ob nicht insgesamt ein bisschen zu viel gewaschen wird, aber das nach Möglichkeit erst, wenn ausgiebig darüber gesprochen wurde, was nun tatsächlich in ganz großem Stil die Umwelt belastet.

Böse, böse Chemie

Womit wir zur Geruchsbelästigung kommen, die zu beklagen ebenfalls en vogue wurde, was insofern interessant ist, als darunter immer bloß dezent duftender Parfum- und Weichspülergeruch und was nicht alles fallen, aber nie Schweiß und Kotze und wonach Menschen sonst noch so stinken. Hat wohl damit zu tun, dass das eine »natürlich« ist und das andere böse Chemie, und von da aus ist es nur ein klitzekleiner Schritt zum Lamento über »die da oben« und finstere Mächte und anderem Unfug, den man in den in Bioläden angebotenen Nichthochglanzzeitschriften lesen kann, und je länger ich darüber nachdenke, desto weniger habe ich Lust, mich mit so etwas zu beschäftigen.

Parfüm richt besser als Schweiß und Kotze.

Ich weiß, dass in Weichspülern ganz abscheuliches Zeugs ist, und trotzdem benutze ich die Schmiere. Gut, dafür fliege ich selten, was daran liegt, dass ich Flugzeuge nicht leiden kann. Wer mit mir fliegt, kommt unweigerlich in den Genuss, bei jedem Luftloch von mir an der Hand gepackt zu werden und in sachlichem Tonfall gesagt zu bekommen: »Wenigstens sterben wir zusammen.« Wobei das letzte Flugerlebnis von Helsinki nach Berlin damit begann, dass ein älterer Mann nach Erreichen der Reisehöhe vehement ins Cockpit wollte, aber sich bloß vertan hatte und von der Stewardess umgedreht und Richtung Toilette geschoben wurde, und damit endete, dass unser finnischer Freund Paska am nächsten Morgen ganz aufgeregt bei Facebook blinkte und wissen wollte, ob wir nicht vielleicht aus Versehen nach Barcolona und von da nach Düsseldorf geflogen seien, Germanwings-Flug 9525 sei nämlich abgestürzt. Waren wir nicht.

Aber warum benutze ich Weichspüler? Vor einer ganzen Menge Jahren hatte uns einer der größeren Jungs im Kindergarten den Supertrick zur Ekel­simulation beigebracht. Dazu brauchte man nur einen nicht weichgespülten, idealerweise aber frisch gewaschenen und vor allem eigenen Strumpf aus reiner Baumwolle. Und eine gewisse Unerschrockenheit, denn als nächstes musste man den Mund aufmachen und mit dem Strumpf an den Zähnen entlangrubbeln. Nicht lang, und auch nicht fest, es reichte, ein-, zweimal entschlossen den Stoff mit den Zähnen in kreisenden Kontakt zu bringen. So ähnlich kann man übrigens auch feststellen, ob Perlen echt sind oder nicht, aber das ist eine andere Geschichte.

Das Baumwollgerubbel führte zu ­einer empirisch belegten soliden Gänsehaut, zwar nicht bei allen aus der Kindergartengruppe, aber bei sehr vielen, und auf diese Gänsehaut kam es an. Wenn wir, so hatte der Junge erklärt, in Zukunft irgendetwas tun oder essen sollten, das wir nicht wollten, genüge es, an das Gefühl von ungeweichspültem Baumwollstrumpf an Zähnen zu denken, zu erklären, dass wir uns immens ekelten und zum Beweis die Gänsehaut auf den Armen vorzuzeigen.

Ja, das funktioniert wirklich, und zwar noch besser als Kreide, die über eine Tafel quietscht. Und das bis heute. Danke, Weichspüler!

 

Doch!

Wer sich ständig seift und schrubbt, tut weder seinem Körper noch seiner Umwelt damit einen Gefallen. Der Zwang zur Reinlichkeit ist übertrieben.

Von Ole Sauer

Die Deutschen pflegen ein reinliches Image. Ob die Kehrmaschine fröhlich brummend jeden Morgen den Traum vom Ausschlafen zu einem vorzeitigen Ende bringt oder Samstags morgens eifrige Besen über den Bordstein kehren – der Tenor bleibt immer derselbe: Schön sauber soll es sein, und zwar überall.

Die Sehnsucht nach einer reinen Weste ist omnipräsent. Sie manifestiert sich in zahlreichen Schönheitsprodukten, Autowaschanlagen und Reinigungsgeräten. Einem Soßenfleck auf dem Pullover gilt daher nicht etwa Respekt für den Erfolg der eigenen Koch­ambitionen, sondern die unverhohlene Verachtung wegen der eigenen angeblichen Verkommenheit.

Dabei geht es nicht um die Lobpreisung von Schimmelkulturen und Schweißflecken. Doch hat zum Beispiel das seltenere Waschen der Haare eher positive Effekte. So lösen die im Shampoo enthaltenen Tenside nicht nur das Fett aus den Haaren, sondern auch aus der Kopfhaut. Durch einen Gewöhnungseffekt der Talgdrüsen kommt es bei täglicher Haarwäsche zu einer ­erhöhten Fettproduktion. Weniger oft gewaschene Haare fetten hingegen nicht mehr so stark.

Es genügt völlig, sich zwei bis drei Mal pro Woche zu duschen. Ansonsten kann die Hautbarriere geschwächt werden, die Haut wird trocken und spröde und ist nicht mehr so resistent gegen Krankheitserreger. Pro Duschgang verlieren wir bis zu 40 Prozent unserer Hautflora.

Beim Wäschewaschen wird oft zum Weichspüler gegriffen. 220 000 Tonnen davon werden jährlich an private Haushalte verkauft. Zwar müssen die enthaltenen Tenside seit einigen Jahren biologisch abbaubar sein, dies gilt aber nicht für die enthaltenen Duft- und Konservierungsstoffe, die weiter das Abwasser belasten. Außerdem können sie Hautrötungen, Juckreiz und Allergien auslösen. In einem Produkt mit dem Namen »Kuschelweich« ist sogar ein Stoff enthalten, der sich in Tierversuchen als fortpflanzungsgefährdend ­erwiesen hat.

Stinken macht die Welt besser

Wer hätte schon ahnen können, dass gerade die Subkultur, die gerne mit Springerstiefeln, Irokesenhaarschnitt und aufgenähtem »No Future«-Patch auftrat, eigentlich nur ihrer Gesundheit dienten. Die Punks waren die wahren Trendsetter einer Bewegung, die sich heutzutage cleansing reduction nennt. Waschen, vor allem Wäschewaschen, nervt. Doch das auszusprechen, fällt vielen immer noch schwer, und so flüchten sie sich in falsche Versprechungen einer wachsenden Klimabewegung. Sie waschen weniger, betrachten das aber nicht als Faulheit, sondern als Beitrag zur Rettung der Welt.

Das Klima durch individuelle Kon­sum­­entscheidungen retten zu wollen, ist natürlich naiv. Ein Problem stellt die Mikroplastikbelastung aber trotzdem dar. Rund 60 Prozent unserer Kleidung enthält Polyester. Eine Fleece-Jacke verliert pro Wäsche eine Million kleinster Teilchen davon. Die wandern durch Kläranlagen und Flüsse ins Meer und von dort in unsere Nahrungskette. Kein Wunder also, dass bereits in vielen Nahrungsmitteln Mikroplastik nachgewiesen wurde.

Der Waschzwang hat aber noch andere gravierende Folgen. In vielen Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen wurde eine fast keimfreie Umgebung geschaffen. Doch Dreck härtet auch ab. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des bayerischen Umweltministeriums. Kinder, die in der Stadt aufwachsen, leiden der Studie zufolge 15-mal häufiger an Allergien als Kinder, die auf Bauernhöfen groß werden.

Ob Landluft tatsächlich angenehm oder gar gesund ist, klärt die bayerische Studie freilich nicht. Vor knapp zehn Jahren sorgte die New Yorker Konzeptkünstlerin Lisa Kirk mit ihrem Stinkparfüm »Revolution« für Furore. »Wenn man schon keine Revolution anstacheln kann, dann soll man sie wenigstens riechen können«, sagte sie.

Die Hoffnung der Punks, eine sich selbst als rein und glänzend verstehende Gesellschaft durch die Präsentation einer stinkenden Antithese zu überwinden, bleibt wohl unerfüllt. Denn der Kapitalismus eignet sich immer weitere Lebensbereiche an. Und unser Erscheinungsbild gehört dazu. Dennoch ist die Auflehnung gegen den Zwang zum reinen, wohlriechenden Auftreten auch eine Rebellion gegen die ständige Selbstoptimierung.