Die Guerillakämpfer der ELN

»Wir haben jetzt 200 views auf Instagram«

Seite 3 – Kleinbürgerliche Voluntaristen
Reportage Von

Lucia zählt die Medien auf, die die Geschichte mit den Kindern aufgegriffen haben. »In Zeiten des Internets ist es einfach, für Nachrichten zu sorgen«, freut sich Uriel. »Jede Nachricht ist eine gute Nachricht.« Er erklärt: »Wir verstehen Kommunikation als ein ­weiteres Schlachtfeld und nutzen dazu die technischen Mittel, die uns der ­Kapitalismus zur Verfügung stellt.« In anderen Einheiten des ELN verstehe man oft nicht, dass es wichtig sei, Inhalte über die sozialen Medien zu verbreiten. »Sie denken, dass ein offizielles, auf Papier gedrucktes und verteiltes Kommuniqué immer noch das geeignete Medium sei, um seine Position und politische Forderungen zu kommunizieren.« Er und sein Team hingegen hätten, inspiriert von Subcomandante Marcos von den mexikanischen Zapatistas, die Figur des »Comandante Uriel« geschaffen.

Willkommen im Gebiet des ELN. Anlegestelle eines Weilers.

Bild:
Tatyana Zambrano

Damit bespielen sie soziale Medienkanäle und produzieren, eingerahmt von Popmusik und dem Konterfei Che Guevaras, graphisch aufwendigen content. Statt immer mit der alten antiimperalistischen Revolutionsrhetorik versuchen sie es mit moderner Sprache und Themen: mit Flora und Fauna des artenreichen Chocó, mit Feminismus und Antipatriarchat und Solidarität mit Studierendenprotesten. »Unsere Zielgruppe ist die Jugend aus klein­bürgerlichen, urbanen Milieus«, sagt Lucia stolz.

Ideologisch tickt der ELN anders als die von Siedlerbewegung, Kleinbauern und Sowjetmarxismus geprägten Farc, die die »Elenos«, die ELN-Mitglieder, lange als kleinbürgerliche Voluntaristen verachtet haben. Nachdem der ELN 1973 militärisch fast besiegt worden und immer mehr in autoritäre Umgangsformen abgerutscht war, kam es im Laufe der achtziger Jahre zu einem Umdenken. Man stellte autonome Organisationsprozesse »von unten« in den Mittelpunkt – und das machte den ELN auch für Intellektuelle attraktiv. Die noch weit entfernte Eroberung der Macht als revolutionäres Heilsversprechen war nun nicht mehr das vor­rangige Ziel, sondern der unmittelbare Aufbau von Gegenmacht »von unten« standen fortan im Mittelpunkt. Die Revolution begann im Alltäglichen. »Das Volk spricht, das Volk befiehlt«, war nun einer der Slogans des ELN.