AMIA-Anschlag in Buenos Aires

Das Netzwerk der Attentäter

Seite 4 – Täter weiter auf freiem Fuß

Während also die »iranische Spur« in einem Dickicht aus Ungereimt­heiten und damit in Straflosigkeit ­endete, hatten die ersten Ermittlungen gegen lokale Polizisten noch ein Nachspiel. Im Prozess »AMIA I« von 2001 bis 2004 wurde aufgedeckt, dass das Netzwerk des Vertuschens und Verschleierns bis in die höchsten Staatsämter reichte. 2015 wurde deshalb ein zweites Verfahren eröffnet, das ebenjenen Amtsmissbrauch zum Gegenstand hatte: der Prozess AMIA II. Unter den 13 Angeklagten waren neben dem zur Zeit des Attentats amtierenden Präsidenten Carlos Menem (1989 bis 1999) auch der Richter Galeano ­­sowie der damalige Geheimdienstchef Hugo Anzorreguy, der Polizist Carlos Castañeda sowie der Gebrauchtwagenhändler Carlos Telleldín. Sie wurden dafür verantwortlich gemacht, den Verdacht fälschlicherweise auf die Polizisten von Buenos Aires und die ­»syrische Spur« gelenkt zu haben, derzufolge ein Argentinier syrischer ­Herkunft hinter dem Attentat gesteckt haben soll.

Menem und zwei weitere Angeklagte wurden freigesprochen, die anderen Angeklagten sah das Gericht als schuldig an. Doch der Schuldspruch vom 28. Februar 2019 war längst vom nächsten Skandal überschattet. Während der Plädoyers über ein Jahr zuvor hatte der Anwalt, der die Position der Regierung vertrat, geringe Strafen für die in die Vertuschung verwickelten Staatsanwälte Eamon Mullen und José Barbaccia gefordert. Angehörige der Opfer und einige Politiker kritisierten diesen Umstand vehement als Klientelismus. Kurz darauf ordnete Staatspräsident Mauricio Macri die Schließung des Staatssekretariats für die Fälle AMIA und Nisman an, die er selbst zwei ­Jahre zuvor eingerichtet hatte. Deren letzter Leiter, Mario Cimadevilla, sah hinter den milden Plädoyers eine Einmischung des Justizministers Germán Garavano. Diesen und weitere Beamte zeigte er daraufhin an – wegen Ver­tuschung und Amtsmissbrauch.

Für die Angehörigen der Opfer und die jüdische Gemeinde stellen diese Prozesse, die sich zu perpetuieren scheinen, freilich nur einen Nebenschauplatz dar, betreffen sie doch nicht das eigentliche Attentat, sondern lediglich die Zeit danach. Obwohl also Strafen verhängt werden, bleiben die Worte des AMIA-Präsidenten wahr: Die Urheber des Verbrechens selbst sind weiter auf freiem Fuß. Mit Aufklärung und Gerechtigkeit ist wohl nicht mehr zu rechnen. Durch das Heulen der Sirene werden sie aber jedes Jahr aufs Neue eingefordert werden.