Alte, weiße Frauen an der Macht

Das Ende des Patriarchats

Seite 3 – Eine Illusion schwindet

Aber das ist vorbei. Wenn überhaupt, hält sich das Patriarchat nur noch mit brutaler Gewalt auf den Beinen. Vieles trägt bereits im Alltag dazu bei, die patriarchale Ordnung zu beenden, ihr die Glaubwürdigkeit zu entziehen. Es sind Räume und Situationen entstanden, in denen patriarchale Prinzipien nicht mehr gelten. Die Versuche scheitern oft, aber selbst die Niederlagen sind nicht ohne Folgen. Und wenn man die Aufmerksamkeit auf das ersparte Leid legt, wird klar, dass diese Bemühungen nicht vergebens waren.

Mehr Frauen an der Macht werden das Klima oder Europa oder was auch immer nicht retten.

Genau deshalb ist das Bild der drei Politikerinnen wichtig. Denn die Möglichkeiten, dem Patriarchat den Boden zu entziehen, werden größer, je mehr Frauen sichtbar und präsent sind. Mitte der achtziger Jahre, als ich anfing, als Journalistin zu arbeiten, war meine Geschlechtszugehörigkeit noch ein echtes Manko. Ich war fast immer die Ausnahme, geduldet zwar, aber um den Preis kompletter Anpassung. Meine männlichen Kollegen konnten sich alles Mögliche erlauben, sie konnten links sein, radikal, merkwürdig, Originale. Von mir hingegen wurde erwartet, dass ich unauffällig bleibe, dass ich dankbar dafür bin, »als Frau« überhaupt dabei sein zu dürfen.

Dass nicht feministische Rebellinnen, sondern konservative, weiße, privilegierte Frauen die ersten sind, die am Ende des Patriarchats an die Macht kommen, war deshalb zu erwarten – andere hatten ja keine Chance. Aber das war eben nur der Anfang. Es hat den Boden dafür bereitet, dass heute längst auch andere politischen Erfolg haben – Frauen wie Greta Thunberg, Alexandria Ocasio-Cortez oder Carola Rackete. Dass sie sich von der herrschenden Ordnung abheben, ist keine zwangsläufige Folge ihrer »Weiblichkeit«, sondern beruht auf dem Erbe einer politischen, allerdings eben auch feministischen Kultur.

Weibliche Tugenden lassen sich nicht aus Körpern oder Geschlechts­identitäten ableiten, auch dafür steht das Foto von Merkel, Kramp-Karrenbauer und von der Leyen. Damit entlarvt es eine der zentralen Illusionen der patriarchalen Ideologie, fast schon ihr Fundament – man denke nur an all die Männer, die von ihrer »besseren Hälfte« sprachen, während sie selbst ihre »bösen« Seiten auslebten. Männer konnten sich in Kriegen und auf kapitalistischen Märkten egoistisch, unsozial und verantwortungslos aufführen, weil sich alle darauf verließen, dass Frauen (und andere »andere«) den Dreck wieder aufwischten und die Wunden zusammenflickten. Diese Illusion schwindet aber zusammen mit dem Patriarchat: Mehr Frauen an der Macht werden das Klima oder Europa oder was auch immer nicht retten, so viel ist sicher. Entweder kommen nun alle in die Puschen oder wir gehen gemeinsam unter.