Feminismus ist noch nicht am Ziel

Die unvollendete Revolution

Dass die Frauenbewegung phänomenale Erfolge vorzuweisen hat, bestreitet niemand. Doch das Patriarchat hat sich nur verändert, verschwunden ist es noch lange nicht.

Man kann den Wandel der Geschlechterverhältnisse nicht bestreiten. Warum auch? Frauenbewegungen ebenso wie die Kämpfe gegen die bestehende ­Geschlechterordnung von Homosexuellen und Queers haben so viele Erfolge vorzuweisen – es wäre schön blöd, die zu leugnen. All die Veränderungen, die Antje Schrupp aufzählt, sind große Errungenschaften. Die Möglichkeit zum straffreien Schwangerschaftsabbruch, die Zugang zu ­allen Berufsgruppen und Machtpositionen in der Politik und der Arbeitswelt und dass kleine Jungen auch Glitzerkleider tragen dürfen, gehören dazu.

Analytisch wie auch politisch ist es fatal, die herrschaftliche Verfasstheit der Geschlechterordnung für beendet zu erklären.

Manche bezeichnen die feministische Revolution, neben der Französischen, als einzig erfolgreiche. Ich würde sie allerdings eher – mit der italienischen Feministin Silvia Federici – als unvollendet bezeichnen. Und zwar nicht nur, weil jede dieser beispielhaften Erweiterungen des Handlungsspielraums ­sofort relativiert werden muss – das gebieten nicht nur ein Blick in die derzeitigen Auseinandersetzungen darum, ob Informationen über Schwangerschaftsabbrüche illegal sind, und die sich diesbezüglich in Europa zuspitzende Situation, sondern ebenso ein Blick auf Schulhöfe oder Kindertages­betreuungseinrichtungen jenseits des alternativen Kinderladens mit »queer friendly« Erzieherinnen. Gibt es dort massenhaft Jungen in Glitzerkleidern? Eher nicht.

Unvollendet ist die Revolution auch, weil sich der Dominanzanspruch von Männern alltäglich in sexualisierter Gewalt und Femiziden, in hetero­sexistischen Bemerkungen, in Raumeinnahme, höheren Gehältern, Männerbünden und dem Erfolg rechter ­Parteien und rechtsextremer Mobilisierungen ausdrückt. Und unvollendet ist sie schließlich, weil sich an der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in unseren zeitgenössischen kapitalistischen Gesellschaften und damit an ­ihrem vergeschlechtlichten Modus der Reproduktion nicht wirklich viel geändert hat. Wie Sorgearbeit verteilt ist, wurde in den vergangenen Jahren oft thematisiert und analysiert. Unbezahlte Fürsorgearbeiten zu Hause oder in der Familie verrichten noch immer zum großen Teil Frauen. Sie leisten 52,4 Prozent mehr unbezahlte Tätigkeiten als Männer.