Feminismus ist noch nicht am Ziel

Die unvollendete Revolution

Seite 2 – Herrschaftliche Geschlechterordung

Das Patriarchat hat sich dennoch zweifelsohne verändert. Frauen haben formal gleiche Rechte und sind – offensichtlich – in gesellschaftlichen Machtpositionen, in denen sie ebenso viel Unheil anrichten wie Männer. Das Ernährermodell ist erodiert, gesellschaftliche Machtressourcen sind damit neu verteilt. Allerdings zeigt sich eben unter anderem an der Verteilung der Sorgearbeit, dass vieles auch beim ­Alten bleibt. Die Suche nach den Gründen führt schnell zu der Einsicht, dass die Geschlechterordnung und ihr herrschaftlicher Kern in Tiefenstrukturen verankert sind – in Affekten eher denn in Leitbildern, in Routinen und Habitu­alisierungen.

Die Geschlechterordnung wird verkörpert, »gefühlt« und begehrt. Und weil das so ist, kann die männliche Dominanz zum jetzigen Zeitpunkt, da sie sich nicht mehr allein auf die klassischen Machtressourcen stützen kann, auf neue Ressourcen zurück­greifen. In heterosexuellen Beziehungen, gerade auch von Linken, zum Beispiel, geschieht dies mit ostentativen Autonomieinszenierungen: Die Orientierung an einem tradiert-konservativen Bild des pater familias wird durch eine sich als progressiv oder gar libertär inszenierende Unverbindlichkeit cooler Männer abgelöst. Diese coole Unverbindlichkeit bringt bindungsorientierte Frauen, die möglicherweise auch noch einen Kinderwunsch hegen, angesichts eines marktförmig strukturierten Feldes der heterosexuellen Partnerwahl, auf dem unterschiedliche, geschlechterdifferenzierende Attraktivitätsnormen gelten (etwa mit Blick auf Alter), in eine schwache Position.

In der Debatte über den Patriarchatsbegriff kursieren verschiedene Vorschläge. Einige sind, wie Antje Schrupp, der Meinung, dass das Patriarchat überwunden sei. ­Andere versuchen mit Begriffen wie »Post-« oder »Neopatriarchat« die Transformation begrifflich einzufangen, und die Sedimente oder das Fort­wirken der alten Ordnung ­dennoch im Blick zu behalten. Wie hilfreich solche Komposita sind, sei dahingestellt. Analytisch wie auch politisch ist es fatal, die herrschaftliche Verfasstheit der Geschlechterordnung für ­beendet zu ­erklären. Die britische Soziologin Sylvia Walby fasst das Patriarchat als »ein ­System sozialer Strukturen, in dem Männer Frauen dominieren, unterdrücken und ausbeuten«. In der Tat ist diese Herrschaft brüchig geworden und in den vergangenen ­Jahren etwa im Kontext der massenhaften Frauen­streiks sowie der Kampagnen #Aufschrei, #Ausnahmslos und »Ni una más« erneut scharf ­attackiert worden.