Ausbeutung in der digitalen Gesellschaft

Karl Marx und die Roboter

Seite 3 – Nicht weniger Arbeit, sondern miesere Jobs

Marx wäre vollkommen klar gewesen, dass die Automatisierung und Digitalisierung nicht einfach aus dem Nichts entstehen können, sondern materielle Voraussetzungen haben. Beispiel Rohstoffe: Allein für die Produktion der über sieben Milliarden Smartphones, die in den zehn Jahren seit Einführung des ersten iPhone 2007 auf den Markt kamen, brauchte es tonnenweise Kobalt, Kupfer, Aluminium und viele weitere Materialien. Dazu gehören seltene Erden, die unter erbärmlichen Sozial- und Umweltbedingungen etwa in Indien, Brasilien und Malaysia abgebaut werden. So steht es in einem Bericht der Umweltschutzorganisation Greenpeace von 2017.

Um die digitale Welt am Laufen zu halten, braucht es Energie, die erzeugt werden muss. Auch sind Serverparks und Rechenzentren in großer Zahl notwendig, die man so gut wie nie zu Gesicht bekommt, die aber für das Funktionieren der digitalen Welt unverzichtbar sind. Alle alltäglichen elektronischen Spielzeuge, aber auch die Maschinen der lean production setzen industrielle Massenproduktion voraus und führen zu einer gigantischen, wachsenden Menge an (elektronischem) Müll, dessen Lagerung oder Weiterverarbeitung enorme Folgen hat, die – ähnlich wie die Probleme mit dem Atommüll – noch nicht völlig ab­geschätzt werden können.

Auch hätte Marx sich gefragt, wie sich die Digitalisierung zum Kapitalismus verhält, und wäre wohl zu dem Schluss gekommen, dass keine Technologie, keine App oder keine Plattform an sich Privateigentum, Markt oder Kapital unmöglich macht. Der Band von Butollo und Nuss macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass die Entwicklung der digitalen Technologien am harten Profitinteresse und nicht etwa einem idealistischen Fortschrittsversprechen orientiert ist. Die Digitalisierung könnte durch Automatisierung dem Menschen auch heute schon gefährliche – oder zumindest lästige – Arbeit abnehmen. Im Kapitalismus führt sie aber nicht zur Befreiung, sondern verfestigt Herrschaftsverhältnisse. Daher führt die Digitalisierung auch nicht zu weniger Arbeit, sondern zu mieseren Jobs. Das oder Ähnliches liest man an vielen Stellen im Buch. Alle Autorinnen und Autoren stützen die gleiche Analyse: Dem Kapital geht es in erster Linie darum, wie billiger produziert werden kann.