Gehalt von Auszubildenden

Das Mindeste ist nicht genug

Seite 3 – Rechte sind kaum durchzusetzen

Nach Darstellung von Thorsten Schulten, dem Leiter des Tarifarchivs des WSI, sind die Probleme in nicht tarifgebundenen Unternehmen noch größer. Aufgrund der stetig sinkenden Tarifbindung sind etwa 40 Prozent aller Auszubildenden in solchen Firmen tätig. Eigentlich dürften diese den gesetzlichen Vorgaben zufolge nicht weniger als 80 Prozent der tariflich vereinbarten Vergütung zahlen. Allerdings ist es für Auszubildende in solchen Unternehmen schwer, ihre Rechte durchzusetzen, denn Jugend- und Auszubildendenvertretungen gibt es in den betroffenen Bereichen ebenso selten wie Betriebsräte.

Die Probleme sind auch der Bundesregierung nicht verborgen geblieben. Sie will das Berufsbildungsgesetz reformieren und im Zuge dessen eine Mindestausbildungsvergütung einführen. Der Mindestlohn für Auszubildende soll am 1. Januar 2020 in Kraft treten und im ersten Lehrjahr 515 Euro monatlich betragen, im zweiten Jahr auf 608 und im dritten Ausbildungsjahr auf 695 Euro steigen. Ab 2021 sollen die Vergütungen dann schrittweise erhöht werden. Die Bundesregierung bleibt damit allerdings weiter hinter den Forderungen der Gewerkschaften zurück. Diese fordern einen Mindestlohn für Auszubildende in Höhe von 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung. Im ersten Ausbildungsjahr wären das derzeit 660 Euro.

Dass die von der Bundesregierung verabschiedete Lohnuntergrenze deutlich niedriger ausfällt, soll der zuständigen Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) zufolge zum einen die Betriebe vor »finanzieller Überforderung« schützen und zum anderen die Tarifautonomie stärken. Würde die Lohn­untergrenze zu hoch angesetzt, bestehe die Gefahr, Tarifverträge zu unterlaufen, so die Politikerin. Dieser Argumentation widerspricht Thorsten Schulten.