Freie Zugfahrten für uniformierte Soldaten

Verkehrswende verkehrt

Uniformierte Soldaten dürfen bald kostenlos Bahn fahren. Die absurde Maßnahme zeigt, wie wenig die Bundesregierung von einer dringend notwendigen Reform der Deutschen Bahn hält.
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Ab dem kommenden Jahr dürfen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr beruflich und privat kostenlos mit der Deutschen Bahn fahren, wenn sie Uniform tragen. Das sei »ein starkes Zeichen der Wertschätzung«, sagte der Vorstandsvorsitzende der Bahn AG, Richard Lutz. Abgesehen davon, dass öffentlich präsente Armeeangehörige ein Anzeichen für schleichende Militarisierung sind: Angehörige fast aller Berufe haben mehr Wertschätzung als Kriegerinnen und Krieger verdient. Aber für Bauarbeiterinnen, Müllfahrer, Sozialarbeiter oder Pflegekräfte gibt es bei der Bahn nicht einmal eine Ermäßigung.

Erstaunlich ist, wie sich der Vorstand der Deutschen Bahn mit den Freifahrten für Uniformierte dem Wunsch der Bundesverteidigungsministerin und CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer beugt. Sonst pochen die Manager darauf, dass die Bahn unternehmerisch handeln und frei von politischem Einfluss sein müsse. Denn für gewöhnlich sind Lutz und seine Kollegen nicht bereit, in Kategorien wie Wertschätzung durch Gratisfahrten oder öffentliche Verantwortung zu denken – im Gegenteil.

Seit der Vereinigung von Bundesbahn und Reichsbahn der DDR im Jahr 1994 ist das Unternehmen eine zu 100 Prozent in Staatsbesitz befindliche Aktiengesellschaft, die gewinnorientiert arbeitet. Der ursprüngliche Plan, das Unternehmen an die Börse zu bringen, ist im Zuge der Finanzkrise ab 2007 gescheitert.

Den Preis für die Einsparungen in Vorbereitung des Börsengangs zahlen Reisende noch immer, in Form von Personalmangel, schlechten Verbindungen, Verspätungen und Zugausfällen. An allen Ecken und Enden hat die Bahn gekürzt, gestrichen, abgebaut und geschlossen. Zurzeit muss sie in großem Stil sanieren, was Reisende auf dem Weg durch das Ruhrgebiet oder an anderen Verkehrsknotenpunkten zu spüren bekommen.

Fragwürdige Prestigeprojekte

Aber sie wird wieder einmal nur das Nötigste machen. Dem Konzern geht bei den Reparaturen baufälliger Brücken oder Bahnhöfe das Geld aus, weil durch den allgemeinen Bauboom die Kosten immens gestiegen sind. Das Unternehmen braucht jeden Euro, nur um den miserablen Status quo aufrechtzuerhalten – und schenkt Bundeswehrangehörigen nun eine Menge Geld. Die Bundeswehr zahlt der Bahn für das Gratisfahren der Uniformierten nach Medienberichten ein Trinkgeld von vier Millionen Euro im Jahr. Der Wert der Freifahrten entspricht für jede und jeden der 180 000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einer Bahncard 100, die 4.395 Euro im Jahr kostet. Die Bahn verzichtet also auf Milliarden.

Um die Misere bei der Bahn in den Griff zu bekommen, wäre eine große Reform nötig. Sie müsste damit beginnen, dem Unternehmen nicht mehr vorzugeben, gewinnorientiert zu arbeiten, indem es von einer Aktiengesellschaft in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts oder eine vergleichbare Rechtsform umgewandelt wird. Vor allem bräuchte die Bahn ein großes Investitionsprogramm – um das Schienennetz auszubauen, Angebote wie Schlafwagen für Reisen durch Europa wiedereinzuführen, mehr Personal in Zügen und auf Bahnsteigen bereitzustellen und vieles mehr.

Der Stopp des Milliarden verschlingenden Megaprojekts »Stuttgart 21« und der Verzicht auf die Freifahrten für Bundeswehrsoldatinen und -soldaten wären ein gutes Startsignal für die Umkehr der Bahn weg von fragwürdigen Prestigeprojekten und Privilegien für ausgewählte Gruppen und hin zu flächendeckender Mobilität für alle Reisenden gleichermaßen. Solange nicht alle gratis Zug fahren, sollten es Uniformierte auch nicht.