Meir Javedanfar über die Wahlen zur Knesset und den Konflikt mit dem Iran

»Vielleicht gibt es eine dritte Wahl«

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Interview Von

Welche Koalitionen könnten sich bilden? Könnten Likud und Blau-Weiß gemeinsam regieren?
Das wird mit Netanyahu kaum möglich sein, da Gantz sich verpflichtet hat, nicht mit ihm in einer Regierung zu sitzen. Am Ende ist es auch egal, welcher Spitzenkandidat die Mehrheit erhält. Entscheidend wird die Block­bildung sein. Das Bündnis Blau-Weiß könnte mit der neuen »Demokratischen Union« (eine Vereinigung mehrerer linker Parteien, Anm. d. Red.) eine Koalition bilden. Ministerpräsident Netanyahu wird wohl auf vertraute rechte Kräfte wie die religiösen Parteien bauen. Beide Lager hoffen, dass die kleinen Parteien, die mit dem jeweiligen Gegner koalieren wollen, an der 3,25-Prozent-Hürde scheitern.

Was könnte sich unter Blau-Weiß ändern?
Es würde wohl eine Wiederaufnahme der Gespräche mit den Palästinensern geben, obwohl es wahrscheinlich keine sofortigen Fortschritte geben dürfte. Zunächst einmal würden sich wohl eine solche Koalition auf die innenpolitischen Probleme des Landes – wie Bildung und Gesundheit – konzentrieren. Ihre Politik würde nicht so konservativ sein wie die der vorigen Regierung. Auch würde sie Anstrengungen unternehmen, die ultraorthodoxen Juden in die Gesellschaft – also Wehrdienst und Arbeitsmarkt – zu integrieren. Im Gegensatz zu Netanyahu, der eine nationalistische Politik betreibt, würde das Bündnis Blau-Weiß um einiges toleranter bei der Gestaltung des Landes sein.

Rechnen Sie mit einer israelisch-palästinensischen Annäherung?
Unter einer Netanyahu-Regierung weniger. Ein Mitte-links-Koalition unter Gantz würde mit Sicherheit prüfen, ob der Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas noch ein geeigneter Partner für den Friedensprozess ist. Bei Trumps Friedensplan weiß ja keiner so genau, was er überhaupt beinhaltet.

Ist Mahmoud Abbas noch der richtige Verhandlungspartner?
Unter den moderaten palästinensischen Politikern ist er der einzige, mit dem die israelische Regierung zurzeit verhandeln kann. Wer soll Abbas ersetzen? Und wird sein Nachfolger die Autorität haben, die mutigen Schritte zu ­unternehmen, die notwendig sind, um ein Friedensabkommen mit Israel zu erreichen?

Droht der Konflikt am Persischen Golf und an Israels Nordgrenze zu eskalieren? Ist Krieg unvermeidbar?
Nicht unbedingt, aber es ist wahrscheinlich, dass Israel weiterhin die iranische Infrastruktur in Syrien und auch im Irak angreifen wird. Die Regierung ist sicher, dass der Iran sein umfassendes Raketenarsenal von Syrien in den Irak transferiert hat und ein Teil davon den jüdischen Staat erreichen könnte. Seit einiger Zeit wird berichtet, dass dort israelische Angriffe statt­gefunden haben. Auch dies wird wahrscheinlich fortgesetzt. Ich glaube aber nicht, dass der Iran derzeit an Krieg interessiert ist. Wenn, dann eher die Hizbollah, als Verbündeter des Assad-Regimes, insbesondere im Kampf gegen syrische Oppositionsgruppen in der Provinz Idlib. Gegen Israel würde das anders aussehen. Denn ihr größter Unterstützer – der Iran – steht aufgrund von Sanktionen unter starkem finanziellen Druck. Daher ist es den Iran zurzeit nicht so einfach, einen Krieg der Hizbollah ­gegen Israel zu unterstützen. Natürlich könnte die Situation plötzlich eska­lieren. Doch das ist eher unwahrscheinlich.