Die Zahl der Waldbrände in Brasilien ist gestiegen, nicht zuletzt, weil Präsident Jair Bolsonaro die Umweltbehörde geschwächt hat

Nichts tun, wenn es brennt

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»Trockenes Wetter, Wind und Hitze«, seien die Gründe für die Brände, behauptete Salles am 20. August. Dem widersprechen viele Kritiker vehement. »Nichts davon ist ein Unfall«, sagte Paulo Artaxo, Physiker an der Universtität von São Paulo und Spezialist für die Auswirkung von Aerosolen auf das Klima, der Wissenschaftszeitschrift Science. »Was wir sehen, ist das Ergebnis einer Reihe von Handlungen und Unterlassungen der brasilianischen Regierung.« Die Flammen wüteten nach ­einem Muster, das typisch für die Entwaldung an der Landwirtschaftsgrenze sei, so Artaxo.

»Er hat alle Fehler begangen, die möglich sind«, bewertete Marina Silva, die von 2003 bis 2008 brasilianische Umweltministerin war, im Gespräch mit der BBC die Politik ihres Amtsnachfolgers Salles. »Die Brandstifter wurden mit Sicherheit von den Erklärungen des Präsidenten angespornt, denn er versicherte ihnen ja, dass sie straffrei bleiben würden.«

Vor den katastrophalen Auswirkungen der Umweltpolitik der Regierung hatten Experten bereits vor Monaten gewarnt. Einige Juristen, die auf Umweltrecht spezialisiert sind, stellten am 30. Mai in einem offenen Brief an Bol­sonaro und Salles fest: »Es ist nicht die Aufgabe des Umweltministeriums, die Interessen von wirtschaftlichen Gruppen zu verteidigen.« Sie erinnerten auch daran, dass bestimmte Umweltauflagen, die Bolsonaro und Salles immer wieder kritisierten, in der Verfassung von 1988 festschrieben sind.

Auch international wird Bolsonaro kritisiert. Insbesondere der französische Präsident Emmanuel Macron tat sich hervor, er erklärte Ende August die Brände zu einer »internationalen Krise« (Jungle World 35/2019). Damit schürte er allerdings den brasilianischen Nationalismus, in Brasilien ist die Verschwörungstheorie, dubiose Kräfte strebten die »Internationalisierung« Amazoniens an, weit verbreitet. Doch auch in Brasilien wuchs die Unzufriedenheit mit der Untätigkeit der Regierung, selbst bei jenen, die Bolsonaro gewählt haben. Schließlich konnte man die Brände selbst im weit vom Amazonas-Becken entfernten São Paulo nicht ignorieren. Am 19. August sorgte der Rauch zusammen mit einem Tiefdruckgebiet dafür, dass sich der Himmel über der Stadt verdunkelte.

Schließlich sah sich Bolsonaro genötigt zu reagieren. Am 23. August sagte er auf einer Pressekonferenz, dass er »eine tiefe Liebe für Amazonien« fühle. Er versprach, dass die Regierung »null Toleranz« bei Umweltverbrechen zeigen werde und kündigte an, Militär zur Bekämpfung der Brände zu entsenden.

Doch am 28. August traf sich Bolsonaro mit den Gouverneuren der neun amazonischen Bundesstaaten. Es ging weniger um den Schutz des Waldes als um den Ausbau der Infrastruktur und die Förderung des Bergbaus in der Region. Dabei kam das Regierungsprojekt zur Sprache, in indigenen Schutzgebiete auch gegen den Willen der dortigen Bevölkreung Bergbaukonzessionen zu vergeben. Viele Aktivistinnen und Aktivisten weisen darauf hin, dass dieses Gesetz gegen die Verfassung verstoße. Doch sieben der neun anwesenden Gouverneure signalisierten Zustimmung zu Bolsonaros Plänen.