Jule Furthmann, Sprecherin des Bündnisses »Sitzenbleiben«, im Gespräch über die gewaltsame Räumung einer Blockade beim »Global Climate Strike«

»Das brutale Vorgehen sollte abschrecken«

Polizisten verdrehen am Boden sitzenden und vor Schmerzen schreienden Demonstrantinnen und ­Demonstranten die Hände und Arme, halten sie im Schwitzkasten, drücken ihnen die Hände ins Gesicht – diese Bilder von der Räumung einer Sitzblockade während des »Global Climate Strike« in Hamburg am Freitag vergangener Woche verbreiteten sich schnell in den sozialen Netzwerken. Der Einsatz der Hamburger Polizei wird vor allem wegen der Anwendung sogenannter Schmerzgriffe als unverhältnismäßig kritisiert. Jule Furthmann, die Sprecherin des Bündnisses »Sitzenbleiben«, war Augenzeugin des Geschehens und hat mit der Jungle World gesprochen.
Small Talk Von

Einem Polizeisprecher zufolge haben die Einsatzkräfte die Auflösung der Blockade »ruhig, besonnen und professionell durchgesetzt«. Wie haben Sie die Räumung erlebt?

Zunächst wurden Personen von der Polizei weggetragen, aber als die Presse weg war, wurde die Blockade unter Anwendung von Schmerz- und Würgegriffen brutal geräumt. Diese Gewalt war völlig unverhältnismäßig. Es hätte die Möglichkeit bestanden, die Beteiligten einfach wegzutragen.

Ging von den Personen in der Sitzblockade eine Bedrohung für die Polizei aus?

Nein, wir hatten einen Aktionskonsens und haben uns daran gehalten. Während der Sitzblockade gab es Musik und Menschen haben getanzt. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit hätte die Polizei das mildeste Mittel anwenden müssen, um die Blockade zu räumen. Das war ganz klar nicht der Fall.

Wie erklären Sie sich das rabiate Vorgehen?

Es gab viele Personen, die sich zum ersten Mal an einer Aktion zivilen Ungehorsams beteiligt haben und gleich mit solcher ­Gewalt konfrontiert wurden. Wahrscheinlich sollte das brutale Vorgehen der Polizei uns davon abschrecken, in Zukunft wieder ­solche Aktionen zu machen. Und die Hamburger Polizei ist für ihre harte Linie bekannt.

Gibt es Teilnehmer, die rechtliche Schritte gegen die Polizei erwägen?

Ein Aktivist erwägt rechtliche Schritte, weil ihm das Handgelenk gestaucht wurde. Aber die meisten ­werden wahrscheinlich auf Strafanzeigen gegen Polizisten verzichten, weil diese leider selten zu Ver­urteilungen führen. Opfer von Polizeigewalt müssen häufig selbst mit Gegenanzeigen rechnen.

Die öffentliche Resonanz auf die Vorfälle ist groß. Besteht die Aussicht, dass es zumindest ein politisches Nachspiel in Hamburg geben könnte?

Der Innensenator Andy Grote (SPD) stellt sich mal wieder vor die Polizei und die Grünen ducken sich weg. Es stehen Bürgerschaftswahlen an. Wenn die Grünen sich nicht äußern, weiß die Klimabewegung, auf welcher Seite sie stehen. Dazu passt auch, dass sie die Verschärfung des Polizeigesetzes noch vor den Wahlen durchdrücken wollen.

Wird Ihre Gruppe auch in Zukunft die Aktionsform der Sitzblockade nutzen?

Ja, und wir werden uns nicht von dieser Polizeigewalt abschrecken lassen. Auch die Diffamierung bestimmter Teile der Klimabewegung durch den Verfassungsschutz wird uns nicht einschüchtern. Denn das »Klimapaket« ist ein Skandal und wir brauchen eine radikal andere Klimapolitik.