Dass der »Pflege-TÜV« für mehr Qualität in Pflegeheimen sorgt, ist unwahrscheinlich

Trotz Prüfung Panne

Der sogenannte Pflege-TÜV soll die Qualität von Pflegeheimen besser erfassen als das bisherige Notensystem. An der Misere in diesem Bereich wird ein intensiveres Prüfverfahren aber wohl nichts ändern.

Was kaum einer Schulklasse gelingen dürfte, glückt den knapp 14 500 deutschen Pflegeheimen seit 2009 Jahr für Jahr. Seit die Einrichtungen vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) nach Schulnoten bewertet wurden, erzielten sie durchgängig die Durchschnittsnote »sehr gut«. Da diese Benotung der Realität in den Heimen offenbar nicht entspricht, erhalten die Heime nun ein neues Bewertungssystem, den sogenannten Pflege-TÜV.

Potentielle Bewohner und deren Angehörige konnten an den Pflegenoten nicht ablesen, wie die Betreuung im jeweiligen Heim aussah und wie gut es um dessen räumliche und personelle Ausstattung bestellt war. »Minuspunkte bei der Pflege konnten bisher mit dem Hochglanzaushang in Großdruck des Speise- und Veranstaltungsplans ausgeglichen werden«, sagte Johanna Knüppel, die Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), im Gespräch mit der Jungle World. Das Notensystem, das hauptsächlich auf der internen Dokumentation der Heime basierte, bezog auch medizinisch nicht relevante Kriterien in die Bewertung ein. Dies ermöglichte es den Heimen, ein schlechtes Abschneiden etwa bei der Wundversorgung mit einem gut lesbaren Speiseplan oder ­einem schön gestalteten Garten auszugleichen.

Das Recherchezentrum Correctiv versuchte 2016, ein realistischeres Bild der Zustände in den Pflegeeinrichtungen zu erhalten. Anhand der vom MDK erhobenen Daten prüfte es, wie die Heime in medizinisch relevanten Bereichen abschneiden. Die Untersuchung ergab, dass über 50 Prozent der Heime ihre Bewohner nicht korrekt mit Medikamenten versorgten. Mehr als 30 Prozent der Einrichtungen gewährleisteten nicht die vorschriftsmäßige Versorgung ihrer Bewohner mit Nahrung und Flüssigkeit.

Der neue »Pflege-TÜV« sieht ein zweistufiges Prüfverfahren vor. Zunächst müssen die Pflegeeinrichtungen halbjährlich interne Qualitätsdaten erheben. Dabei wird etwa dokumentiert, wie mobil und selbständig die Bewohner sind und wie viele von ihnen an Druckgeschwüren oder an den Folgen von Stürzen leiden. Diese Daten werden von einer unabhängigen Stelle gesammelt und ausgewertet. Ab November prüft der MDK die Versorgungsqualität der Heime nach einem neuen Verfahren und berät die Einrichtungen fachlich. Bis Ende 2020 soll jedes Heim einmal geprüft worden sein. Das neue Prüfverfahren sieht vor, dass sowohl zufällig ausgewählte Bewohner als auch die für sie verantwortlichen Pflegefachkräfte vom MDK befragt werden. Die Ergebnisse der externen Prüfung und der internen Datenerhebung sollen ab 2020 veröffentlicht werden – nicht mehr in Form von Schulnoten, sondern als umfangreicher Bewertungskatalog.