Im Paragraphendschungel - Recht im linken Alltag

Die Liberalen und das Vermummungs­verbot

Christian Lindner empört sich darüber, dass die Regierung in Hongkong ein Vermummungsverbot erlassen hat. Dabei war es die FDP, die 1989 ein ähnliches Verbot in Deutschland miteinführte. Und auch heute ist die Partei nicht zimperlich, die Befugnisse der Polizei auszuweiten.
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In Hongkong ist gerade so einiges los und das beschäftigt in Deutschland sowohl Linke als auch Liberale. Seit einiger Zeit finden in der Stadt Proteste statt, die sich gegen die chinesische Zentralregierung richten und anscheinend auch gegen alles, was mit dieser verbunden wird. Die Demonstrationen liefern inspirierende Bilder, die auch hierzulande fleißig in den sozialen Netzwerken geteilt und kommentiert werden.

Am 4. Oktober twitterte Christian Lindner, der Bundesvorsitzende der FDP,  jedenfalls: »Das Tragen von Atemschutzmasken durch ein Vermummungsverbot zu verbieten, ist ein weiteres Beispiel der Repression in #Hongkong – wir stehen an der Seite derer, die friedlich für ihre Freiheit auf die Straße gehen.« Diese Aussage sorgte auf Twitter für Belustigung, zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer wiesen Lindner darauf hin, dass es in Deutschland ebenfalls verboten sei, sich bei Versammlungen zu vermummen. Grundsätzlich ist das richtig, wenn auch die speziellere Frage, ob das Tragen von Atemschutzmasken bei hoher Luftverschmutzung erlaubt ist, bislang von der Rechtsprechung nicht entschieden wurde.

Es ist entgegen einer verbreiteten Ansicht hierzulande nicht einheitlich geregelt, was eine strafbare Vermummung ist. Es gilt Paragraph 17a des Versammlungsgesetzes des Bundes, ähnliche Regelungen gibt es in den Versammlungsgesetzen der Länder, soweit diese solche erlassen haben. Paragraph 17a, Absatz 2, Nummer 1 des bundesweit geltenden »Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge« zufolge ist es verboten, an Versammlungen in einer »Aufmachung, die geeignet ist und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurückzulegen«. Eine Vermummung per se ist dem Paragraphen zufolge also eigentlich nicht verboten. Zweck der »Aufmachung« muss die Verhinderung der Identitätsfeststellung sein, und so befassen sich deutsche Gerichte mit der Frage, ob Sonnenbrillen, Schals und Sonnen- sowie Regenschirme diesem Zweck im konkreten Fall dienen oder nicht.

Die Urteile fallen je nach Gericht recht unterschiedlich aus. Noch freier als die Gerichte interpretieren die Polizeibehörden das Vermummungsverbot, wenn es darum geht, in Versammlungen einzugreifen. Bei linken Versammlungen stellen sie freilich häufig eine strafbare Vermummung fest. Eine Darstellung dieses Komplexes würde den Rahmen dieser Kolumne wohl sprengen, daher sei an dieser Stelle nur noch auf die doch recht amüsanten historischen Aspekte von Lindners Tweet eingegangen, derer gibt es nämlich zwei.