Labour-Partei und der Brexit

Erst die Macht, dann die Entscheidung

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Labour strebt auch tiefgreifende Reformen bei den bestehenden Sozialleistungen an, die in den vergangenen Jahren immer stärker gekürzt wurden. Der »Universal Credit«, der Arbeitslosengeld und Sozialhilfe zusammenlegte, soll abgeschafft und durch ein neues Sozialleistungssystem ersetzt werden. Unter Labour soll es keine ­Arbeitsunfähigkeitsuntersuchungen und Strafmaßnahmen im Zusammenhang mit Sozialleistungen geben, beispielsweise beim Nichterscheinen zu einem Termin beim Arbeitsamt.

Auch eine Reform des Schul- und Ausbildungssystems ist geplant. Die Studiengebühren sollen abgeschafft werden. Auf dem Parteitag stimmte zudem die Mehrheit der Delegierten dafür, Privatschulen in staatliche Schulen zu überführen. Dies wäre eine erheb­liche Veränderung des Ausbildungssystems, denn Privatschulen sind nicht nur der bevorzugte und exklusive Ausbildungsort der wirtschaftlichen und politischen Führungsschicht, sie tragen auch jährlich 11,7 Milliarden Britische Pfund zum Bruttoinlandsprodukt bei. Labour will diesen Schulen ihren Status als Stiftungen aberkennen. Das zöge auch die Umverteilung des Besitzes dieser Schulen, der Stiftungsgelder und Dotierungen, Investitionen und des Grundbesitzes nach sich. Zwar werden nur sieben Prozent der britischen Schülerinnen und Schüler insgesamt und 18 Prozent derer ab 16 Jahren an diesen Schulen ausgebildet, aber sie stellen fast 30 Prozent der Studierenden an Eliteuniversitäten wie Oxford und Cambridge. Labour will auch erreichen, dass Universitäten nur so viele Studierenden von Privatschulen zulassen, wie es deren Anteil an der gesamten Schülerschaft entspricht.

Labour will darüber hinaus kostenlose Kindergartenplätze für alle zwei- bis vierjährigen Kinder einrichten, die Kosten für Schuluniformen reduzieren und eine kooperative Universität gründen, an der Produktion, Verteilung und Austausch von Wissen genossenschaftlich geregelt werden. Dies ist nicht das einzige genossenschaftliche Projekt, das Labour plant. 300 Millionen Pfund sollen etwa für die Einrichtung von gemeindeeigenen car sharing clubs bereitgestellt werden.

Auch die Wohnungswirtschaft soll reformiert werden. Hohe und rasant steigende Mieten bei schlechtem Wohnungsstandard sind ein Problem für viele, vor allem in den Ballungszentren. Mieten im Privatsektor sollen daher prozentual nicht stärker steigen als die Löhne oder die Konsumentenpreise, wobei die niedrigere Rate ausschlaggebend sein soll. Das Programm der Partei sieht auch den Bau von mehr Sozialwohnungen vor, die Entkriminalisierung von Obdachlosigkeit und mehr Unterstützung für Obdachlose, deren Zahl die NGO Shelter 2018 auf etwa 320 000 schätzte.

»Labour’s Socialist Green New Deal« soll Großbritannien »auf den Weg« zu einem Netto-Kohlendioxidausstoß von null Tonnen bis 2030 bringen, jegliche Treibhausgasemissionen müssten ab diesem Zeitpunkt also durch Rückholung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre kompensiert werden. Erreicht werden soll dies unter anderem durch die Verstaatlichung der Eisenbahn, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und öffentliche Investitionen in erneuerbare Energien.